4. Juni 2009: Vorbereitung und Abfahrt!

 

Und es begab sich, dass bei einem gemütlichen Fondue-Abend ein Freund eines Freundes den Wunsch in die Runde warf, zu einer größeren Reise in skandinavische Gefilde aufzubrechen. Das Grundkonzept war einfach und übersichtlich: Erst mal ganz weit nach Norden fahren, bis es nicht mehr weiter geht, dann umkehren und zurück. Je nach verfügbarer Zeit entweder rechts rum oder links rum. Einziger Haken sei noch das Finden eines Kraftwagens mit der nötigen Daimlerschwere, derzeit wird ja alles abgewrackt und so seien kaum Altdaimler im ganz unteren Preissegment zu finden. Und ein Daimler sollte es sein, es sollte ja eine Reise werden und keine Strapaze.

 

"Nun...", warfen wir von der ikonengold.de-Redaktion in die Menge, "...da gibt es vielleicht eine Lösung. Unser Sprotzel, eine gut abgehangene S-Klasse, steht in letzer Zeit hauptsächlich rum, dem tät etwas Auslauf wirklich nicht schaden."

 

 

 

Nach etwas Überlegen, Prüfen, Kalkulieren stand der Plan: Wir werden den Wagen augenscheinvalide herrichten, die Optik hatte in den letzten fünf Jahren auf der Straße etwas gelitten. Technisch war das Sprotzel ja immer schon sehr gut beieinander, die Bremsen frisch belegt, die Bremsflüssigkeit gewechselt, der Motor schnurrt wie eine Katze, der Automat schaltet, wie er soll und das Fahrwerk von einer frappierend angenehmen Frische. Als wir so munter den Wagen polierten, die Türe neu verputzen und ein freches Loch am Schweller zuschweißten, prägten wir deshalb für den hochkilometrigen Qualitätskraftwagen den Begriff des "Scheinblenders".

 

 

 

 

Unter richtigen Blendern versteht man ja gemeinhin Autos, die auf den Bildern und auf den Treffen fantastisch glänzen, mit tollem Chrom angeben und deren dubiose Altreifen mit Schuhchreme zu einem tiefen schwarz verholfen wird. Optisch befriedigen diese Autos alle Sinne, aber wenn man dann damit fährt, geht das Wehklagen los: Fahrwerk verschlissen, kaum noch Bremswirkung, beim ersten Regentropfen schmieren die Reifen weg.

 

 

 

Unser Sprotzel ist da anders gestrickt: Wie Herr Tur Tur, der auf große Entfernung bedrohlich aussieht, wirkt das Sprotzel auf den ersten Blick nicht ganz überzeugend. Etwas Korrosion streckt vorwitzig sein Näschen hervor, mattes hellelfenbein kennt man eher vom Taxistand, denn vom Klassikertreffen und der Moosbewuchs auf den Fensterschachtleisten ruft auch nach einer Runde Dampfstrahler. Sitzt man aber erstmal drin in der sehr schönen, nicht gehobenen Stoffaustattung, hört den Motor auf den ersten Zucker des Zündschlüssels zahm schnurren, vermag der Wagen den ersten optischen Eindruck zu entkräften.

 

 

 

Für die Reise haben wir dennoch die Türe neu gespachtelt und auch sonst die ein oder andere Roststelle undauerhaft überarbeitet. Versprochen, wenn das Sprotzel mit seinen Insassen die Reise unbeschadet übersteht, gibt es nächstes Jahr frisches Blech aus dem Teilefundus des VDH.

 

Jetzt muss das aber erstmal so halten, strukturell ist ja alles fest und stabil und die Optik, die einen an der Grenze nicht gleich zum Halt zwingt, die haben wir hergestellt. Es geht nichts über Profiwerkzeug, der Wagen glänzt wie eine Speckschwarte. Dass der sieben Jahre alte Hagelschaden so natürlich wieder ins Auge springt, naja, das war der unerwünschte Nebeneffekt.

 

 

Am Abend des 4. Juni ging es los, Wolfgang fährt die erste Etappe nach Moers, seinen Mitreisenden aufgabeln.

 

Wir werden berichten, wie es weiter geht! Wer bis dahin als erster die erste Frage unseres Reiserätzels errät, kriegt von uns den ersten ersten Preis zu gesendet: Einen Tankgutschein für die Shell in Uusikaupunki!

 

Jetzt die Frage: Wer ist am ältesten: Der Wagen, sein Fahrer oder die coole Mütze?

 

Einsendungen bitte an weilke@ikonengold.de

 

 

5. Juni 2009: Schlüsselerlebnis

 

Ausgehend von der Überlegung, dass ein Schlüssel genau ein Schlüssel zu wenig ist, wenn man diesen während der Reise verliert, sollte ein Zweitschlüssel besorgt werden. Leicht gesagt: Kaum ein Schlüsseldienst hat die Rohlinge für die extralangen W 116-Schlüssel noch auf Lager. Putzig auch die obligatorische Frage: "Hat der Wagen Wegfahrsperre?" Wolfgangs passende Antwort: "Ich bin die Wegfahrsperre!"

 

Nach zwei Versuchen ("au, das wird schwierig", "muss ich extra bestellen") hatte die Reisegesellschaft Glück und bei einem kleinen Schlüsseldienst gammelt noch ein alter Rohling auf dem Boden der Ramschkiste einsam vor sich hin. Dieser Schlüsseldienst machte dann den gravierenden Absatz von EUR 7,50 (kleines dienstleiteradequates Wortspiel) und die Reisegruppe konnte die Fahrt fortsetzen.

 

Unser Rätzel wurde natürlich noch nicht aufgelöst, wir lassen deshalb die Frage bis auf weiteres offen. Kleiner Hinweis: Alles ist älter als die Zahl, die auf die Straße aufgepinselt wurde!

 

 

 

7. Juni 2009, 19.21 Uhr: Sichtungsmeldung

 

Es ist also doch nicht unscheinbar: Gerade erhielt ich einen Anruf eines Freundes, er hätte ein SMS bekommen von einem uns unbekannten "Martin", er hätte unser Sprotzel in der Nähe von Göteborg überholt, ob das denn sein könne?

 

Ja kann es! Immerhin wissen wir, dass der Reise wohl soweit keine großen Hindernisse im Weg gestanden sind. Sehr schön. Und irgendwann finden wir auch heraus, welcher Martin das war.

 

 

8. Juni 2009: Bildernachreichung

 

Was bisher geschah: Unsere Helden Wolfgang und Christian trafen in Moers die letzten Reisevorbereitungen. Erster Schritt war ein beherztes Aufstocken der Lebensmittelvorräte bei Feinkost Lidl.

 

 

Auch für den Kraftwagen gab es Futter, hier in der Form von Schmierstoff. Dabei klärt sich auch die Bezeichnung 15W40 auf dem Kanister: Auf 15 tausend Kilometer benötigt ein hochkilometriger Qualitätskraftwagen ca. 40 Liter Motorenöl. Der Beweis: Nach den ersten 1000 km wurden 2,6 Liter nachgefüllt. Es gilt der umgekehrte Dreisatz x=40/15000x1000 = 2,666.

 

Hier möchte die zu Hause gebliebene Heimatredaktion einwerfen: Alles Lüge! Das Sprotzel hat jetzt das im Kurzstreckenbetrieb der letzten Monate angesammelte Benzin aus dem Öl gedampft, einfach erst mal weiter fahren und beobachten, so lautet die Devise!

 

Wichtig ist auf jeden Fall die fachmännisch richtig angebrachte Kippe.

 

 

 

 

Der neu angeschaffte Schlüssel vermag zu gefallen, der Kilometerstand für die Abfahrt in Moers ist somit auch dokumentiert. Ob das jetzt auch der Gesamtkilometerstand des Fahrzeugs ist, weiß Gott (und der Vorbesitzer) allein.

 

Der Begriff Scheinblender wurde bereits erläutert. Wie allerdings vor Ort berichtet wird, trifft auch folgende Erklärung aus Dänemark zu.

 

Bei deutlicher Beladung des Kofferraums kann auch die Einstellung Hecklast an den Scheinwerfern bei 32 Jahren alten Federn unzureichend sein. Da aber die Leuchtmittel (damals schon im Preis enthalten) ebenfalls leichten Verschleiß zeigen, blendet es nicht wirklich, wenn die Scheinwerfer den Himmel der nördlichen Hemissphäre absuchen.

 

 

 

Auch die Schweden haben bereits eine neue Erklärung parat: Wenn die Sonne scheint, blendet er wirklich! Aussenreporter Wolfgang versichert, das seit der Abfahrt in Stuttgart das Fahrzeug nicht erneut gewaschen oder poliert wurde.

 

 

 

Offensichtlich inspiriert vom vdh-Bilderrätzel zum Ornbautreffen (Diesel mit Klimaanlage und Servolenkung), hat auch die Heimatredaktion den Fahrern eine harte Nuss mit auf den Weg gegeben. Doch halt: Es war keine Chrom-Vanadium-Nuss, sondern eine dem Sprotzel entsprechende Qualitätszange. Das Rätzel wurde erst nach der ersten Etappe in Moers bei der Kontrolle gelöst.

 

 

Eine neue Ratefrage wollen wir auch gleich in die Runde werfen:

 

Wenn man sagt: "Ich kaufe ein E!" Wie viele Pferdestärken hat man dann mehr unter der Haube?

a) ca. 30

b)  1

c) alles Mumpitz. Ein 280SE ist es dann immer noch nicht und das zusätzliche Gewicht auf der Hinterachse wird durch die verbesserte Traktion kompensiert.

Wir sind auf Eure Einsendungen gespannt!

 

10. Juni 2009: Auf dem Weg nach Norwegen

 

Zwischen Vänersborg und Frändefors, auf dem Weg nach Mellerud sehen wir rechts zwischen Bäumen versteckt offensichtlich einen fetten alten Amihobel. Wir wenden, fahren in die schattige Kieseinfahrt und halten vor einer angegrauten Schwedenhütte, aus welcher gerade ein Mechaniker im Blaumann heraustritt. Olaf ist sehr freundlich und von Sprotzel sehr entzückt.

 

Der fette Amihobel entpuppt sich als Opel Kapitän mit Weißwandreifen, die Applikation orangeroter Flammen auf mattschwarzen Lack lässt ihn mächtiger erscheinen als er ist. Als Olaf die Plastikgarage anhebt, die lediglich etwas Haube und Kotflügel freigab, wird beim Anblick der steil aufragenden Windschutzscheibe klar, das er vorwiegend deutsche Autos sammelt. Tolles Hobby. Mehrere Opel, ein alter VW-Bus, ein 190E und FÜNF W116. Gut, ein paar Volvos waren auch dabei.

 

Von den fünf 116ern sehen wir zwei in bedenklichem Zustand. Ich hoffe die anderen drei sind fahrtüchtig und bereichern die Schwedischen Strassen.

 

Olaf will noch wissen, was unser Sprotzel wert sei: UNVERKÄUFLICH. Den Blick unter die Haube genießt er förmlich. Seine Blicke verraten einen wahren Enthusiasten.

 

 

 

Oslo, Oh Oslo.

 

Es ist ja nicht so, als das wir völlig unvorbereitet nach Norwegen kommen. Auch Bombstationen (deutsch: Pumpstationen, oder besser: Abpumpstationen) sind uns bekannt. Die erste Pumpstation auf der Autobahn war auch problemlos. Es ist alles ausgeschildert. Sogar der Name des Kassiers ist auf den Schildern angeschrieben.

 

Uns bediente Manuel.

 

Verrückte Welt. Wenn man noch kein Kleingeld hat oder Teilnehmer eines High-Tec-Funkerkennungssystems ist, kommt man mit dem modernsten Zahlungsmittel am langsamsten voran. Dort wird man persönlich (wie erwähnt von Manuel) bedient, der einem die Kreditkarte durch einen Schlitz zieht. Bargeld kann man aus dem fahrenden Auto in einen Trichter werfen. Wenn man trifft, wird man auch nicht geblitzt und erhält auch keine Post aus London. Wie uns Camper berichtet hatten, kommen 80€ auf einen zu. Zahlt man diese nicht, kommt man spätestens bei Wiedereintritt in Norwegen gleich in den Knast. Das haben die sicher beim ADAC gelesen.

 

 

Es soll Städte geben, da zahlt man als Autofahrer Eintritt. Oslo gehört offensichtlich dazu. Die Abpumpstationen werden auf den Schildern angepriesen, genau so, wie die dazugehörige Videoüberwachung. Von Manuel diesmal keine Spur. Als Autofahrer erkennt man die Ortsgrenze nicht oder die Geschwindigkeitsüberwachung ist die Abpumpkontrolle. Wir wissen es nicht, aber es bleibt ein negatives Gefühl. Sollte es für Touristen umsonst sein, empfehle ich dem Auswärtigen Amt Norwegen, dies kenntlich zu machen, das hält die Laune oben. So hat man ein ungutes Gefühlt und triff den Osloern maximal skeptisch gegenüber und stellt das Fotografieren ein.

 

 

Nicht eingestellt haben wir anschließend das Fotografieren in der großen, weiten Landschaft. Und die große weite Landschaft ist es ja, für die wir hergekommen sind.

 

 

 

 

 

 

Boxenstopp in Trondheim

 

Wenn man eine Reise macht, ist es immer schön, wenn man Anlaufpunkte hat. Menschen, die man über irgendwelche verschlungenen Wege kennt und die sagen: "Klar, übernachtet bei uns und natürlich, das Ölleck finden wir!"

 

So war es auch mit Steffen und Monica. Steffen wohnt mit Familie in Hundhammar bei Trondheim und kümmert sich beruflich um sehr, sehr große Motoren.

 

So war es für ihn auch ein Klacks, sich um den nicht ganz so großen, aber dennoch ausreichend großen Motor unseres Sprotzels zu kümmern, die Öltropferei nahm nämlich inzwischen bedenkliche Formen an.

 

Erst mal alles mit dem Dampfstrahler abgestrahlt.

 

 

 

Dann das Trumm aufgebockt und nachgeschaut.

 

 

Schnell war der Sünder ausgemacht. Der Anschluss am Ölfiltergehäuse zum Ölkühler war undicht. Die Heimatredaktion würde ja schon gerne wissen, wer das damals bei der Reparatur verbockt hat! *pfiffel*

 

 

Außerdem würde die Heimatredaktion gerne wissen, wer da so gefahren ist, dass der Ölkühlerkreislauf überhaupt auf gegangen ist. Der Motor M110 wird nämlich eigentlich nie heiß! *schimpffuchtel*

 

Nach fachmännischer Reparatur mit Teflonband (links vor, rechts nach der Arbeit) ist jetzt alles wieder dicht und der Abend konnte bei einer Flasche mitgebrachten Weins ausklingen.

 

 

 

 

Nachdem auch noch ein Clubfreund des norwegischen Mercedesclubs mit seinem /8 vorbei kam, wurde es ein sehr gemütlicher Abend, der auch weit nach Sonnenuntergang weiter ging. Und jetzt nicht fragen, wann in Trondheim im Juni die Sonne unter geht...

 

 

 

 

 

 

 

13. Juni 2009: Es geht weiter!

 

Die Sichtung in Trondheim vor dem Dom ist natürlich gestellt. Da hat sich der Außenreporter schlicht selbst entdeckt – quasi auf dem Selbstfindungstrip.

Böse Zungen behaupten, wenn ich nicht drin sitze, liegt er nicht so tief. Aber egal, Hauptsache er blendet! Dabei fällt auf, das es noch keinen norwegische Theorie für den Begriff Scheinblender gibt. Ich werde die 4,5 Millionen Norweger mal fragen, ob sie Herrn Tur Tur kennen. Oder besser: ich frage sie gleich nach Slartibartfaß. Der hat hier wirklich ganze Arbeit geleistet.

 

 

 

Während wir Abends des Öfteren schwedisches Leichtöl fördern, entdecken wir auch tagsüber immer noch geringe Vorkommen von Schweröl. Dies mag der Heimatredaktion nicht gefallen. Es wird vermutet, das die Erstfüllung vor Inbetriebnahme zu großzügig ausgefallen ist, da sich der Ölstand in Moers zwei Finger breit über Max präsentiert hat. Bei Kilometerstand X274000 (mit X>=0) wurden 200 km nördlich von Trondheim weitere 1,5 Liter auf die Nockenwelle gegossen.

 

 

Weitaus erfreulicher gestalten sich erste Schätzungen zum Benzinverbrauch. Während mit Teilmengen von niederwertigen 95-Oktan-Destillaten 11,4 l/100km errechnet wurden, sind bei 98 Oktan bereits 11,2 l/100km erreicht.

 

Weitere Verbesserungsmaßnahmen sind Windschatten- und Sägezahnfahren. Es wird teamintern diskutiert, ob Zweites ohne Schubabschaltung Sinn macht. Diskussionsbeiträge der Heimatredaktion sind erwünscht.

 

Die Heimatredaktion sagt dazu dieses: Ohne Schubabschaltung bringt das nix. Im Gegenteil, ständiges Aktivieren der Beschleunigungsanreicherung erhöht den Verbrauch.

 

 

 

Auch sonst wirft der Wagen die eine oder andere Frage auf:  Auf was steht denn nun der Hebel?

-         Normal

-         Hecklast

 

Wer noch einen alten Benz mit der manuellen Einstellung am Scheinwerfer hat, kann ja nachschauen. Die Auflösung wird erst mal noch nicht verraten.

 

 

Wir sind ja aber hier auch nicht zum Autofragenraten unterwegs, sondern zum Genießen. Und da bietet Norwegen mannigfaltig Möglichkeit:

 

Kurz vor Moirana hat das Sprotzel Position vor der Hytte am Fjord bezogen. Der Luxus: Angeln direkt von der Terrasse. Rausgezogen haben wir nichts außer Seetang, Algen und Muscheln. Stattdessen haben wir uns an vorbeiziehenden Delfinen erfreut. Ich glaubte ein leises „…und Danke für den Fisch“ vernommen zu haben.

 

Und wer glaubt, eine Party, bei der man die ganze Nacht nur ein Bier trinkt, ist langweilig, irrt. Kaum ist die Sonne weg, taucht sie ein paar Meter weiter rechts schon wieder auf. Nur noch 80 km bis zum Polarkreis.

 

 

 

 

 

 

16. Juni 2009: Über den Polarkreis

 

Die Antriebstechnik hat mal einen halben Tag Ruhe. Da, wo es heute Mittag hin ging, bringt uns kein vierradgetriebenes Auto hin. Zum Svartisengletscher. Mit dem Boot über den Engabrevatn, der mit Gletscherwasser gefüllt bläulich-grün schimmert. Dann zu Fuß im steinigen Rinnsal des Nieselregens stetig eine Stunde bergauf. Dann noch eine halbe Stunde über das vom Gletscher geschliffene Massiv. Ein Tipp an alle, die dort hinauf wandern: Nehmt euch etwas Zucker, Limetten und eine Flasche Cachaca mit ;-).

 

 

 

Ein weiteres Kleinziel wird bei 66° 33´ nördlicher Breite fast unspektakulär überquert: Der Polarkreis (oder auch arctic circle). Myriaden von Wohnmobilen umschwirren das Touristeninformationszentrum. Auch Sprotzel kann sich eine kleine Freudenträne beim Fotoshooting nicht verkneifen ;-).

 

Immerhin: der Ölverbrauch überschreitet die Angaben des Herstellers nicht. Wir haben einfach schon 3500 km ab Echterdingen fahrgespaßt. Und wenn die Heimatredaktion hier einmal einwerfen darf: Lasst bitte das Öl in Ruhe, Ihr habt da jetzt genug Unfug angestellt! Nachfüllen wenn zwei Finger breit über max. Hä???

 

Am frühen Sonntagmorgen in Bodo (von den Norwegern liebevoll Bod genannt – das letzte O wird einfach durchgestrichen), wo selbst norwegische Kirchengänger noch schlummern, wird vollgetankt. Danach gleich ab zur Fähre, die dreieinhalb Stunden nach Moskenes fährt.

Es gibt kaum einen Reiseführer, der nicht die Spezialität der Lofoten betont: Trockenfisch. Wir nutzen die Gelegenheit, um die zarte Oldtimernote „Historique – the old fragrance from Daimlér" kurzfristig zu übertünchen.

 

 

 

 

 

 

 

Abends bleibt das Angeln im Lofotenfjord trotz Versuchen mit verschiedenen Blinkern erfolglos. Es wird die Idee geboren, die taghellen Nächte zur Fahrt zu nutzen, um den lästigen Wohnmobilen auszuweichen, die den Fahrspaß nachhaltig mindern. Es bleibt bei der Idee und das rächt sich auch gleich am darauf folgenden Tag. Es lag bestimmt nicht am notwendigen Lofotenupdate auf Ulis Navi. Kurz vor Narvik biegen wir links ab und stehen auf der wenig befahrenen Landstraße plötzlich im Stau. Nichts geht mehr. Nach fünf Minuten informiert der rotkäppige Militärpolizist auch uns, dass der norwegische König sich die Ehre gibt, mit Kriegsveteranen ein Kaffeekränzchen offensichtlich mitten auf der Straße abzuhalten. Anders lässt sich doch so eine Vollsperrung nicht erklären. Wie ich auf anderen Reisen gelernt habe, ist es immer wichtig, den König zu grüßen. Ich trage dem freundlichen Offizier damit auf, dies äußerst warmherzig zu tun. Er klappert pflichtbewusst die langsam wachsende Schlange nach hinten ab. Die Sperrung soll eine Stunde dauern.

 

14 Uhr 10. Die Stunde ist rum. Zur Unterhaltung patrouillieren zwei Kampfhubschrauber der königlich norwegischen Luftwaffe den Stau ab. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir noch nicht, dass die Logenplätze bereits 5 km weiter vorne vergeben sind. Memo an den König: Kaffee und Kuchen für die Wartenden sind günstiger als eine 20 Sekunden anhaltende Flugschau.

 

Kurz darauf werden wir vom bereits bekannten Offizier unterrichtet, dass man erwägt, zwischen 14:30 und 15:00 Uhr die Sperrung kurz aufzuheben. „The King is delayed“. Ich frage höflich, aber bestimmt (in der leisen Hoffnung, eine Sondergenehmigung zu erlangen), wie der König meine Grüße aufgenommen hat. Die ebenso höfliche Antwort lautet, dass er den König selbst nicht anspricht, jedoch meine Grüße dem ranghöheren Militär weitergeleitet wurden, vom welchem noch keine Antwort vorläge.

 

Die Sperrung wurde dann tatsächlich um 15:10 Uhr aufgehoben. Den König sehen wir nicht. Den Schnitt für diesen Tag gleichen wir durch einen längeren Stint aus.

 

 

 

Was sein muss, muss sein. Das Abendessen fällt für norwegische Verhältnisse preiswert aus. Ein Kilo Garnelen für 19 NoK (ca. 1,90 €), dazu ein biegeschlaffes (Schwäbisch: lommeliges) Baguette für 18 NoK.

 

Das Rezept zum nachkochen: Die Garnelen mit zwei Knollen Knoblauch und reichlich Öl auf mächtiger Flamme zehn Minuten pochieren. Tiefgefrorene Garnelen haben soviel Wasser gezogen, dass von „Dünsten“ nicht die Rede sein kann. Wenn man vom Baguette absieht: Lecker war´s allemal.

 

 

 

 

 

 

 

 

19. Juni 2009: "Sie haben das Ziel erreicht, bitte wenden"

 

Die Auswertung des Zielfotos ergibt: nach 4880 km ab Echterdingen exakt um 23:59 steht Sprotzel an seinem nördlichsten Parkplatz. Nur Reisebusse dürfen noch 50 m weiter. Tja, wir haben Sommerzeit, da müsste die Mitternachtssonne per Deklaration doch um 1:00 Uhr zu sehen sein? Aber bereits eine viertel Stunde nach dem wir angekommen sind, leert sich der Platz. Rentner der Welt, lasst euch doch bitte nicht so von den Reiseleitern verschaukeln! Denn der wirkliche Zeitpunkt der Mittsommernacht ist eine Sache, die es noch genauer zu eruieren gilt.

 

 

In der Halle, die nach Airportterminal riecht und anmutet, herrscht Aufbruchstimmung. Die netten Beamtinnen im nördlichsten Postamt Europas haben es auch nicht leicht, der Schalter bleibt bis 1 Uhr offen. Dann macht aber der ganze Laden dicht. Doch bevor der Letzte das Licht ausmacht, machen wir einen Aufräumer, der in norwegischen Nationalfarben gekleidet ist, darauf aufmerksam, dass die große, von hinten beleuchtete Informationstafel, inkorrekt ist. Dort wird die Mitternachtssonne um 12:00 Uhr am tiefsten Punkt abgebildet. Er hat eine super Ausrede parat: „Greenwich time“.

 

Gut. Macht Sinn in Norwegen. Ich gebe nicht nach und mache noch einen Versuch, um mir die Zeit zu vertreiben. Die Sonne richtet sich ja weder danach, das wir „daylightsaving“ machen, noch danach, wie wir unsere Uhrzeit definieren. Der offizielle Touristenbetreuer meint, dass heute die Sonne um 0:25 am tiefsten Punkt war. Meint er „Greenwich time“? Auch seine weiteren Angaben verwirren: Am 21. Juni sei hier die Sonne dann um exakt 1 Uhr am tiefsten Punkt. Fundiertes Halbwissen hat noch keinem weitergeholfen. Ich resigniere.

 

 

 

 

Draußen an der Weltkugel ist kein Mensch mehr. Wir haben das Nordkapp bis viertel nach eins für uns und genießen es. Mitternachtssonne zu unbestimmter Uhrzeit gesehen und das Ziel der Reise mit Erfolg gekrönt.

 

Von vielen Lesern kommt die Frage: "Wie kommt man eigentlich auf die Idee, mit so einem alten Auto ans Ende Europas zu fahren?"

 

Die Antwort ist ganz einfach: "Weil man es kann!"

 

 

 

 

 

Denn in Zeiten, in denen Kraftwagen, die älter als neun Jahre sind, als "Schrott" klassifiziert werden und der Staat dafür Geld ausgibt, dass Bürger Werte vernichten, muss man einfach einen deutlichen Standpunkt einnehmen.

 

Wenn man auf sein "Sach" (wie man hier in Schwaben sagt) aufpasst, kann man nämlich durchaus in einen 32 Jahre alten Wagen einsteigen und einfach losfahren.

 

 

 

Zugegeben, gewaschen, poliert und leicht aufgehübscht haben wir das gute Stück und neue Bremsbeläge gab es auch dazu. Ansonsten ist es aber Technik, auf die Verlass ist. Die nicht gleich final stehen bleibt, weil ein Birnchen im Kombiinstrument ausfällt oder bei dem die Automatik nicht mehr schaltet, weil der Bremslichtschalter spinnt.

 

Reihensechszylinder, ein Monster an Vergaser, Viergangautomatik mit ohne Wandlerüberbrückung. Das funktionierte vor 32 Jahren, das funktioniert auch heute. In den 70er Jahren in den Auffahrten der gehobenen Wohngegenden, heute am nördlichsten Ende Europas.

 

Und wenn jetzt jemand sagt: "Das stimmt doch garnicht!", dann hat er sogar Recht. Das Nordkapp ist garnicht der nördlichste Punkt Europas, genauso wenig, wie das Kap der Guten Hoffnung der südlichste Punkt Afrikas ist (das ist, nur der Vollständigkeit halber, das Kap Agulhas). Das Kap Agulhaus Europas ist der Knivskjellodden, er ragt nämlich um ein paar hundert Meter weiter ins Meer hinaus. Ein Reiseführer behauptet sogar drei km. Aber Augenscheinlich sind es ca. 500 m. In mir kommt die Frage auf: Ist der vom Nordkapp sichtbare Felsen eigentlich der Knivskjellodden?

 

 

Für den Erfolg unserer Reise mag "Hilda", der norwegische Schutzengel, auch ihren Beitrag geleistet haben.

 

Zurück zur Sinnhaftigkeitsdiskussion, das geht ja heute nicht ohne den Aspekt der CO2-Emissionen.

 

Der ist direkt abhängig vom verbrannten Kraftstoff: Minimalverbrauch auf dieser Strecke war bis jetzt 11,2 l/100 km. Als Alltagsverbrauch kommen wir mit 14 l/100 km hin, bei sehr zügiger Autobahnfahrt lassen sich auch 18 l/100 km durch den Solex pressen.

 

Vergleichen wir dies mit den Verbräuchen, welche die Motorredaktion der FAZ mit einem Lexus LS 600 hybrid erzielte: Maximal 19 l/100 km, im Alltag 13,8 l/100 km, minimal (und zwar in Realität, nicht im Prüfzyklus) 10,8 l/100 km.

 

"Ja und das Abgas?" Richtig, da steckt kein Katalysator im Auspuff. Dafür müssen aber auch keine paar hundert Kilo Nickel und Cadmium entsorgt werden.

 

 

Zugegeben, das Sprotzel ist rund 700 kg leichter, ohne jetzt wirklich als zierlicher Leichtbau zu wirken. Und zugegeben, 250 km/h Höchstgeschwindigkeit ist auch nicht drin, bei 190 km/h gewinnt der Luftwiderstand.

Nur mögen wir trotzdem die Behauptung "Weil neu sauberer ist" nicht so recht glauben.

 

Aber was bringt die Grübelei, unsere Außenreporter sind ja wegen der Landschaft unterwegs und von der Landschaft gibt es hier jede Menge.

 

Auf dem Hinweg hatten wir endlich die ersten Rentiere angetroffen, die uns schon seit ein paar hundert Kilometern auf den Straßenschildern versprochen wurden. Zuerst sichtet man sie abseits der Strasse und es dauert nicht lange, dann überqueren sie diese unaufgeregt. Auch bei den Rentieren hat sich schon die neue Frühjahr-/Sommermode herumgesprochen: man trägt hellelfenbein.

 

Ab dem 70 Breitengrad reißen die Wolken immer wieder auf und beleuchten klare Bergseen auf 50 Höhenmeter. Auf dieser Höhe wäre 100 km vor dem Ziel wohl die Baumgrenze, aber der kontinuierlich starke und kalte Wind hat etwas dagegen.

Hinter den zum Teil fast senkrecht herabfallenden Bergen, zeichnet der Wind aus Nord-West bizarre Muster auf das Wasser des Porsangea-Fjords.

 

In dieser Landschaft lässt sich so einiges an Sorgen und Nöten vergessen.

Vielleicht sollte man gleich bis zum 28. September dort bleiben.

 

 

 

 

 

 

Wie geht es jetzt weiter? Hier ist der Bericht über die Rückreise.

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