Schneller als Speedy Gonzales

Bild + Text: Hauke Fischer

 

 

Wie ein Lindwurm windet sich die Strecke einer Wertungsprüfung durch die steppengleiche Ödnis des Hochlandes irgendwo bei Monterrey

Ein schwarzes Band Asphalt zieht sich durch eine staubige Hochebene. Die Temperatur beträgt geschätzte 70 Grad, wahrscheinlich sind es 38 im Schatten. Über der Straße flimmert die Luft, irgendwo regt sich ein unverschämter Vogel. Es ist ruhig an diesem Vormittag Ende Oktober. Rechts eine nicht enden wollende Reihe von Kakteen, im Dunst dahinter eine Bergkette. Links hinter einem kleinen Staubwirbel eine Ansammlung von Hütten, eine verlassene Tankstelle.

 

Dann durchbricht ein hohes Sirren, Kreischen und ein tiefes Grollen dieses Idyll. Am Horizont tauchen zitternd zwei Scheinwerfer auf.

 

Im Käfig hinter diesen Scheinwerfern beträgt die Temperatur tatsächlich 70 Grad, die Nadel des Drehzahlmesser tritt in den roten Bereich ein und verharrt dort einen Moment. „Eins links 70 Meter, zwei rechts 140 Meter“ krächzt es im Ohr. Flinke Füße im virtuosen Spiel mit Gas, Gas, Kupplung. Wer bremst, verliert. Die Tanknadel im freien Fall, der Achtzylinder vorneweg in seinem Element. Drehzahl, Drehzahl ruft das Aggregat und jappst nach Luft. Der Drehzahlmesser veranstaltet Ausschläge wie ein Seismograph; die Schaltpausen sind kurz. Wir sind bei der Carrera Panamericana, der legendären Rallye quer durch Mexiko. Von Huatulco am Pazifik Richtung Norden, nach Nuevo Laredo an der Grenze zu Texas. Dreitausendsechshunderachtundfünfzig Kilometer in fünf Tagen. Die Strecke windet sich wie ein Tausendfüssler durch das Land, von Meeresniveau durch die Ausläufer der Sierra del Sud, über Pässe mit bedeutungsschweren  Namen wie „El Porto del cielo“ - Tor zum Himmel - und durch endlos erscheinende Ebenen.

 

2500 Meter über Meeresniveau sind nach dem Ende der Regenzeit die Verbindungspisten in das Hinterland bereits von weitem auszumachen

 

Solche Anstiege, die dünne Luft, hohe Luftfeuchtigkeit und ein Strassenzustand wie in den östlichen Bundesländern vor der Wiedervereinigung, hier wird den Teams und vor allem den Autos alles abverlangt.

 

Manch Mechaniker schickt ein stilles Gebet zum Himmel, dass der Bolide am Abend noch soweit wieder zurechtgebogen werden kann, dass er an der Etappe des kommenden Tages wieder teilnehmen kann

 

 

Kreischend erklimmt der betagte Ponton die Serpentinen. 2700 Meter über Null, das ist eine Herausforderung für die Weber-Pakete auf dem Motor.

 

Die Regeln sind einfach: Wer als erster im Ziel ist, hat gewonnen. Die Zuschauer am Straßenrand sollten tunlichst am Leben bleiben. Sie gilt als die härteste Rallye der Welt, die Carrera Panamericana, die seit 1988 wieder jedes Jahr durch Mexiko führt. Dieses legendäre Geschwindigkeitsrennen zu Ehren der Fertigstellung des mexikanischen Teils der Panamericana, dieser Straße, welche die amerikanischen Kontinente von Feuerland bis nach Alaska durchquert. In die Rallyegeschichte eingegangen die Siege der europäischen Mannschaften in den frühen 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, unvergessen die legendäre Hatz des Teams Karl Kling und Hans Kleng mit ihrem Zusammentreffen mit einem Geier.

Die Schlange zur nächsten Etappe vor dem Starttor in Mexiko-Stadt. Drängeln hilft nichts, die Startzeiten sind vorgegeben.

 

Das Rennfeld wird längst nicht mehr dominiert von amerikanischen Autos, die Europäer sind in diesem Jahr mit einer Horde Porsche und Mercedes-Benz vertreten. Vereinzelte Exoten. Ein Saab 96, der Knuffel, der so böse knurren kann. Heiseres, unheimlich schnell anmutendes Brüllen und Fauchen eines Opel Diplomat (von Wangenheim / Hambloch). Volvo PV444, alte Hülle, modernste Innereien (Mats Hammarland Racing hat die im Verleih). Das schnellste Taxi Mexikos in diesen Tagen, die Alfa Guilia von Martin Lauber, der rote Blitz (Heusel / Hauser).

Zwei von vielen. Zusammen mindestens 1000 Pferde. Und original ist nur noch das Blechkleid.

 

Und selbstverständlich die dichteste Ansammlung von Studebakern, die die Welt noch hat. Allesamt Rennmaschinen mit bis zu 750 heissblütigen Pferden unter der Haube.

Immer schön lächeln. Der knuffige Schwede ist durchaus grimmiger, als er auf den ersten Blick aussieht.

 

Weniger spektakulär, aber nicht weniger beeindruckend kommt der Saab daher, auch wenn halb so viele Zylinder nur halb so viel Krach machen.

 

„Du musst nicht unbedingt verrückt sein, um an dieser Veranstaltung teilzunehmen. Aber es hilft ungemein.“ Der Scheffmechaniker hat gesprochen und verschwindet wieder unter dem 280SE 3.5, um die Vorderachse in Ordnung zu bringen. Ein Spurstange klirrt auf den Boden und ist innerhalb weniger Minuten durch ein Neuteil aus dem Fundus im Servicewagen eines anderen Teams ersetzt. „Man hilft sich hier untereinander, das ist normal. Und das ist das Flair der PanAm. Auf den Parkplätzen vor den Hotels, da hört die Konkurrenz auf. Das geht erst morgen früh wieder los.“

 

Geistern gleich wird werkeln eifrige Hände des nächtens an den Autos
Abendliches Schrauben gehört dazu. Die Mechaniker, die unablässigen Seelen, werden beinahe mehr gefeiert, als die Rennfahrer. Denn nur ihnen ist es zu verdanken, dass die nächste Etappe in Angriff genommen werden kann.

 

In der Tat, ein babylonisches Stimmengewirr herrscht unter den Flutlichtsonnen. Englisch, französisch, deutsch, spanisch, das sind die Sprachen Carrera Panamericana. Die Teams haben Transporter der Größe Mercedes Sprinter als Servicefahrzeuge. Die professionell aufgestellten Teilnehmer kommen mit Trucks und rollenden, komplett eingerichteten Werkstätten daher. Überall Reifenstapel, Metall klingt auf Metall, irgendwo ein wenig dumpf. Hier werden hochprofessionell Karosseriebestandteile wieder gerichtet. Mancherorts zaubern Flex und Schweissbrenner muntere Lichtspuren.

 

Auch wenn es nach einem Dreher und harschem Kontakt Blech an Fels wüst aussieht, dieser Porsche 914 2.0 wird weiter am Rennen teilnehmen.

 

Das Aussehen des Klassikers ist zweitrangig, das Auto muss in wenigen Stunden wieder einsatzbereit sein. Eine solche Auffassung führt zu, sagen wir, individuellen Lösungen, die jedem Originalitätsfetischisten die Harre ausfallen lassen.

 

... einen roten Bereich gibt es einfach mal nicht. Im Zweifel wird man es qualmen sehen, wenn der letzte Gasstoß der eine zu viel war....

 

„Zimperlich darf man gegenüber seinem Altblech nicht sein, schließlich handelt es sich nicht um eine Kaffefahrt“, wie hier die Gleichmäßigkeitsfahrten in Deutschland gerne genannt werden. Dieses Zitat von Oenker Tuerker, dem Copiloten und Navigator der silbernen Pagode mit der Startnummer 316, trifft den Nagel auf den Kopf. Überhaupt, die drei Pagoden im Feld sind samt und sonders nur für diese Veranstaltung komplett neu aufgebaut worden. Die Versicherungswerte bewegen sich im deutlich sechsstelligen Bereich... 

Mechanische Stoppuhren sind zwar deutlich stylischer, sind aber von gestern.

 

„So richtig original sind an dem Auto eigentlich auch nur die Karosserie und ein paar Teile des Fahrwerks, der Rest ist im Rallyetrimm,…“ fährt er fort, „…selbstverständlich werden Fahrwerk und Leistung des Motors auf die PanAm abgestimmt. Das beginnt bei extrem kurzem Ansprechverhalten der Lenkung, geht mit Höher- oder Tieferlegungen weiter und endet bei solchen Dingen wie dem beinahe täglichen Wechsel der Düsenstöcke der Vergaser, um an den jeweiligen Luftdruck angepasst das optimale Gemisch zu haben.“

 

Mittelkonsole. Wer hier Holzapplikationen erwartet, liegt falsch.

 

„Auch das Wageninnere ist den Anforderungen des Veranstalters angepasst, das hat nichts mehr mit dem Ursprungszustand zu tun, eher schon mit einem Formel-1 Auto.“

 

Allerdings kein Lewis Hamilton-Formel 1 Auto, sondern eher aus der Epoche von Jim Clark oder Clay Regazzoni. Alulochblech und Knuppel, die auch mit dicken Handschuhen zu bedienen sind.

Musik Zwo Drei Vier... Es wird viel geboten, bis die Meute in das einst stille Nest einfällt.

 

In der Luft hängt der Rauch vom Holzkohlenfeuer aus dem schwarzen Fass vor mir. Obenauf ein Grillrost, darauf ein Topf mit brodelndem Wasser. Maiskolben werden gekocht und - mit einer roten Paste versehen - als Zwischenmahlzeit verkauft. Eine Kapelle kommt die Straße heraufgezogen und spielt mexikanische Weisen. Winkende Arme durch den Zaun eines Schulhofes. Lachen. La Carrera ist im Ort! Es herrscht Volksfeststimmung an diesem Tag. Kinder und Jugendliche rennen die Gassen ab auf der Jagd nach Trophäen. Trophäen, das sind Bilder im Postkartenformat der einzelnen Teams. Männer beugen sich unter Motorhauben und in Innenräume und fachsimpeln. Benzingespräche. Geschäftiges Treiben, die Boliden aufgebockt. Service Point ...

 

 

Ein radelnder Straßenhändler. Sie sind in Mexiko allgegenwärtig, diese Vehikel mit den dampfenden Kesseln
Vergiss McDonalds. Leckeres Essen der schnellen Art von flinker Hand zubereitet gibt es am Straßenrand.

 

 

Noch ist der Bolide nicht der Mittelpunkt eines Bienenschwarmes, aber es wird kommen, es wird kommen...]

 

 

Jung und alt.

 

Die Begeisterung für la Carrera ist in Mexiko eine, die nicht vor den Generationen halt macht. Egal wo der Rallyetross Halt macht, es herrscht Volksfeststimmung.

 

 

Mitten im Nichts an einer der PEMEX-Tankstellen. Sprit fassen während der Verbindungsetappen ist erlaubt.

 

Zwischen den Wertungsprüfungen gibt es mindestens einmal einen Halt für Servicearbeiten. Die Autos werden für die kommenden Prüfungen vorbereitet. Bremsencheck, Sprit nachfüllen, die lustigen oktansteigernden Zusätze ebenfalls. Hier und dort wird an der Zündung gebastelt, die Vergaser fein eingestellt. Manch Mechaniker biegt mit schwerem Gerät um die Ecke, es hat unterwegs wohl kleinere Kaltverformungen gegeben.

Ein kritischer Blick in das wichtige Buch. Die kommenden Abschnitte werden geplant.
Kleine Arbeiten für Zwischendurch. Irgendwas sorgte für einen individuellen Geradeauslauf.

 

Die Besatzungen überprüfen ihre Ausrüstungen und belagern die Tankstelle und die kleinen Buden im Ort. Flüssigkeitsnotstand. Bei den herrschenden Temperaturen wird jede Flasche Wasser, die noch nicht vor sich hin siedet, zum gefragten Gut. Hektische Blicke in das Roadbook und zur Armbanduhr, es gilt die Zeiten zu beachten für den nächsten Start.

Im Sonntagsstaat wird an den Straßen gewartet.

 

Nach gut zwei Stunden ist der Spuk vorbeit. Noch hängt ein leichter Hauch von unverbranntem Benzin in der Luft, die Stille kehrt zurück. Die Einwohner dieses gottverlassenen Nestes wenden sich wieder ihren Tagesgeschäften zu. Bis zum kommenden Jahr, wenn wieder die Gringos mit ihren heissgemachten Kisten kommen. Es ist landesweit ein ganz besonderer Tag, wenn ‚La Carrera‘ in den Ort kommt.

Die Porschemeute auf dem Weg zu einer der zahlreichen Wertungsprüfungen.

 

Ein paar Kilometer weiter ein Stau. Wertungsprüfung. Die Rennwagen gehen im Abstand von 30 Sekunden auf die Strecke. Adrenalin. Hier darf, hier soll gar schnell gefahren werden. Pilot und Copilot haben den Streckenverlauf mit seinen vielen Kurven und den Beschleunigungsstrecken im Kopf. Trotzdem muss sich der Fahrer auf die Ansagen seines Sitznachbarn verlassen können. Rechtzeitiges Anbremsen und richtiges Beschleunigen, diese beiden Grundregeln tragen dazu bei, dass das Tagesziel auch erreicht wird.

Der Ovali von Baltasar Cavazos/Gabriel Domenzain fliegt „La Bufa“ hinunter.

 

Kakteen, blühende Büsche, hier und da so etwas wie ein Baum. Über allem ein blauer Himmel, gespickt mit wenigen Wolken. Die Straße windet sich um einen Hügel um dann in einer langgezogenen S-Kurve in eine weite Ebene zu führen.

Der Buckel wird abgeborgen. Außer ein wenig Blech und ein abgerissener Querlenker ist kein weiterer Schaden zu beklagen.

 

Die Straße windet sich um einen Hügel um dann in einer langgezogenen S-Kurve in eine weite Ebene zu führen. Schon lange ist das Kreischen eines Motors zu hören, da kommt wieder einer den Hang hinaufgeschossen, gleich biegt er um die Ecke. Die Kamera geht in Anschlag, ich habe die Kurve im Blick. Doch anstelle eines Autos nur ein höllisches Quietschen und eine amtliche Staubwolke. Huppsa!, da ging das nicht links weg, sondern geradeaus ins Straßenbegleitgrün. Hat wohl die Neugier der Besatzung gesiegt. Statt Asphaltband einfach mal begutachten, was die einheimische Bevölkerung so auf ihrem Acker anbaut.

 

Mais. Die bauen hier Mais an. Hätte ich auch so sagen können, aber mich fragt ja niemand auf meinem einsamen Posten mitten im Nichts. Und das ist nicht einmal eine medienwirksam verwertbare Stelle. Die kommt erst später, in der folgenden Wertung. Nein, hier geht das nur sanft zehn Meter tiefer.

Im Cockpit herrscht ein leichtes Durcheinander. Nichts ist passiert, die Besatzung sortiert sich und krabbelt aus der Amazone. Bis eben war es noch Platz 2 im laufenden Gesamtklassement. Nun ist Stillstand und Mais rundum. Die Begrenzungspfosten oben in der Kurve wurden stehengelassen. Nicht einmal touchiert. Von oben wird man das nicht sehen, dass hier unten kostenloses Parken möglich ist. Hoffentlich kommt da nicht noch gleich einer an und... .

Es wird gut ausgehen. Die meisten anderen Teams absolvieren ohne Blessuren, andere gucken sich schon vorher die Landschaft vom Straßenrand aus an.

 

Das endgültige Aus für den Maserati 3500 Gran Turismo.

 

Auch an anderer Stelle hatte vorher schon ein Buckel-Volvo Probleme mit dem Straßenverlauf. Anschließend stand ein Busch nicht mehr so wirklich an seinem ursprünglichen Platz, der Weidezaunpfahl unter dem Wagenboden hat auch seine besten Zeiten gehabt und die Vorderachse grummelt noch über den Steinbrocken, der sie geschmeidig von den Querlenkern getrennt hat.

 

Die Besatzung nimmt es locker. Es gibt ein Funknetz, die Teamleitung wird über die Pause informiert und nach dem Besenwagen erscheint irgendwann der Abschlepper. Der trägt schon den anderen Buckel huckepack. Keilriemen. Alle und mehrfach. Drei Mann, ein Stahlseil und dann steht die gelbe Rakete auf dem Trailer. Gelächter und Scherze über das kleine Missgeschick. Jetzt gilt es nur noch, irgendwie am Etappenziel anzukommen und den Laufzettel abstempeln zu lassen. Angekommen, nicht ausgeschieden. Und dann mal sehen, was der Mechaniker sagt. Es ist nicht so schlimm gewesen, wie es den Anschein hat. Die Vorderachse wird gerichtet, die Bleche individuell angepasst. Auf den rechten Scheinwerfer muss verzichtet werden. Nun denn. Morgen geht die Aufholjagd auf die vorderen Plätze los.

 

Ende Gelände galt für den Maserati. Die Vorderachse werden Mechaniker nicht wieder hinbekommen. Der Schlag gegen die Straßenbegrenzung und anschliessend den Stein war zu heftig.

 

Polica

In der Gruppe ist es Rang 5 geworden. Erschöpfte, glückliche Gesichter. Nuevo Laredo. Zielort. Es ist zu Ende. Vorbei die Anstiege vom Pazifik in die Berge der Sierra del Sud. Vorbei die Ankunft des nächtens in Oaxaca. Vorbei die Fahrt mit Taxipiloten durch den Moloch Mexiko-Stadt. Vorbei die Adrenalinschübe in den Serpentinen. Vorbei die leisen Stoßgebete, nicht abzufliegen von der Strecke. Vorbei die Fahrt auf dem Rundkurs in Queretaro. Vorbei die lauen Nächte in den herrlichen Altstädten von Queretaro und San Luis Potosi. Vorbei die nervigen Tope, wie die Mexikaner diese irrwitzig hohen Bodenwellen nennen, die der Geschwindigkeitsreduzierung in den Ortschaften dienen sollen. Vorbei die Sorge um die Technik, ob sie denn der dünnen Luft standhält. Vorbei die flimmernden Horizonte der Hochebenen, vorbei die Vollsperrung der Autobahn zur Hauptverkehrszeit, damit die Hochgeschwindigkeitsprüfung absolviert werden kann. Und Willkommen Verkehrsregeln. Ab jetzt müssen sie wieder eingehalten werden. Während der vergangenen Tage stellten Ampeln und vor allem Schilder mit aufgemalten zulässigen Höchstgeschwindigkeiten und Überholverboten lediglich eine optische Bereicherung der Landschaft dar. Vorweg die Policia Federal, hinteran die brüllende, kreischende und röhrende Meute.

 

Selbst auf den Verbindungsstrecken zwischen den Wertungsprüfungen galt es, die vorgegebenen Zeiten einzuhalten. Damit dürfte dann auch end und gültig die Frage eines Erstteilnehmers vom ersten Tage beantwortet sein. „Müssen sich die Teams zwischen den Wertungen denn während der Rallye an die Verkehrsregeln halten?“ lautete die Frage. Der Offizielle oben auf dem Podest hebt die linke Augenbraue und guckt verdutzt. „Aber selbstverständlich müssen die Regeln eingehalten werden. Auch die, die das Roadbook vorgibt.“ Das Roadbook. Wer hier rechnen kann, ist klar im Vorteil und wird glasklar erkennen, dass auf so mancher Verbindungsstrecke die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Lande von dann doch 60 Kilometern nicht wirklich verbindlich sein kann. Vollgas soweit machbar, das ist die Devise. Hier nur mit dem Unterschied, dass mit Gegenverkehr zu rechnen ist. Und dass doch ab und wann ein Einheimischer auf die irrwitzige Idee kommt, aus einer staubigen Seitenpiste auf die Trasse einzubiegen.

 

 

La Carrera Panamericana. Dreitausendsechshundertachtundfünfzig Kilometer lang das kleine Schwarze unten rechts ans Bodenblech pressen. Fünf Tage lang zeigen, was man fahrerisch auf dem Kasten hat. Oder auch nicht. 120 Stunden erhöhter Puls, Adrenalinschübe und Benzin im Blut. Eine Woche durch ein Land, das mit seiner Landschaft, seinen Leuten und seiner Freundlichkeit begeistert. La Carrera Panamericana. Dabei gewesen zu sein bei einem Mythos. Die Droge ist im Körper, wirkt im Kopf. 2000 Kilometer durch Deutschland, Mille Miglia, das ist das Schaulaufen der überrestaurierten Preziosen, die einen Schreck bekommen, wenn sie vom Trailer auf die Straße geschoben werden. Schauinsland, Nordschleife? Kaffeefahrten ohne Heizdeckenverkauf. Große Jungs und Mädchen mit den Blutgruppen 20W50 und Super98 verschiffen ab Mitte September ihre Boliden mit Ziel Mittelamerika.

 

 

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