Die Zeichen der Zeit

Text: Eberhard Weilke
Bild: Bundesanstalt für Straßenwesen

 

 

"Was regst du dich denn jetzt schon wieder auf?" Das war der Kommentar meiner Frau, als ich zeigen wollte, was mir an den neuen Verkehrszeichen nicht passt. "Komm endlich in der Jetztzeit an, was neu ist, ist schöner."

 

Naja, also da habe ich, genauso wie bei dem seltsamen Spruch von Volkswagen, das "...neu sauberer ist", doch schon meine Zweifel. Es ist ja nicht so, dass ich mich dem Fortschritt verschließe. Ich fotografiere digital, obwohl vorzügliche Analogausrüstung bis zum Fachformat einschließlich Chromega-Fachvergrößerer im Hause steht, ich tippe auf einem Laptop, obwohl auf IBM-Kugelkopf das Schreibmaschineschreiben gelernt und auch sonst nutze ich die eine oder andere Technik, die noch vor zehn Jahren völlig undenkbar gewesen wäre.

 

Bei den neuen Verkehrszeichen aber, da läuft doch einiges wieder in die falsche Richtung.

 

Zugegeben, das eine oder andere Zeichen hat durchaus eine Auffrischung vertragen. So fahren kaum noch Haubenlaster umher, auch wenn Mercedes mit dem Zetros ausgerechnet zu dem Zeitpunkt wieder einen bemerkenswerten Hauber anbietet, zu dem auf den Verkehrszeichen nur noch ein Frontlenker zu sehen ist.

 

 

Manche Zeichen hat auch nur die Zeit eingeholt. Seit 1977 in Westdeutschland, seit 1988 in Ostdeutschland wird man an dem Schild erfolglos auf einen planmäßigen Dampfzug warten. Den Zug der Zeit bald eingeholt haben wird dieses Zeichen jedoch auch, da die lokbespannten Züge zunehmend auf dem Rückzug sind.

 

Und wenigstens für Museumsbahnen hätte man die Dampflok ja behalten können, eventuell mit dem Zusatz: "Museumsbetrieb auch am Wochenende". Denn das würde tatsächlich das eine oder andere Malheur verhindern.

 

 

Manche Schilder sind heute auch einfach unverständlich. Wieso hat das Fahrrad keine Lampe mehr? Wieso keine Tretkurbel? Ist das Piktogram jetzt so viel deutlicher zu sehen, als dass man diese Abstriche an StVO-Kompatibilität beziehungsweise Funktionsfähigkeit machen musste?

 

Nennen wir die Lampe einfach die 50 Euro Lampe, denn so viel kostet es etwa, so ein Schild auszutauschen. Pro Schild. Blöd natürlich für Städte mit vielen Rad- und Fußwegen, die das Geld lieber dafür ausgegeben hätten, die Schlaglöcher zu stopfen oder die Fuß- und Radwege weiter auszubauen.

 

 

Noch so ein Beispiel, bei dem die Sache verschlimmbessert wurde. War die Angabe "km" irreführend, weil die richtige Einheit für die Geschwindigkeit natürlich "km/h" heißt, fehlt diese wichtige Angabe jetzt komplett. Die Engländer kommen gelegentlich von ihrer Insel herunter und amerikanische Soldaten nehmen hier auch mehr als ausreichend am Straßenverkehr teil. Da hilft es schon, wenn die daran erinnert werden, dass hier das metrische System angewandt wird.

 

 

Manche Änderungen sind jedoch subtiler und entfalten ihre Brisanz erst nach einer intensiveren Betrachtung. Während heute nur ein gesichtsloses, schwarzes Etwas vom Schild herunterschaut, lachte einen früher ein nettes Autogesicht an. Kein Wunder, dass die Jugend heute, die mit diesem verdrieslichen Autosymbol aufwächst, sich an "2fast2furious" und ähnlichem Unfug orientiert, während meine Generation noch nach Autos mit nettem Gesicht strebte, wie Käfer, Ente, Mini.

 

 

Man sollte auch anprangern, dass dem Heckantrieb auf den Verkehrszeichen langsam aber sicher der Garaus gemacht wird. Nennt mich starrsinnig, aber was war an dem sichtbaren Differenzial der Starrachse denn so absonderlich, dass das Symbol an dieser den vernünftigen Fahrspaß versprechenden Stelle kastriert werden musste?

 

Und manche Änderungen sind schlicht albern, unnötig und rechtfertigen wohl kaum die Mittel, die für den gesetzlich vorgeschriebenen Schilderwechsel verbrannt werden. Bisher missachtete eine schöne Limousine das Ufer und fiel ins Wasser, jetzt ein Golf.

Hoffentlich bringt das niemand durcheinander. Denn so schlimm ist ein frontgetriebener Kompaktwagen jetzt auch wieder nicht, dass man da gleich ins Wasser gehen muss.

 

 

 

Weshalb die maximale Achslast jetzt nur noch bei Zwillingsbereifung gelten soll, auch hier erscheint das neue Zeichen nicht plausibler als das alte. Hinzu kommt, dass es bei den Reifenherstellern einen Trend gibt, Zwillingsreifen durch breite Einzelreifen zu ersetzen.

 

Mal sehen, wie lange es dauert, bis der Gesetzgeber dem Rechnung trägt. Wahrscheinlich gilt ab 2032 dann wieder das alte Zeichen.

 

 

Wirklich nicht verstehen (und ein ganz klein wenig sich diskriminiert fühlen) werde ich mich aber bei dem, was dem Fußgängersymbol widerfahren ist. Das Strichmännchen mit Hut, das bisher forsch den Fußgängerüberweg überschritt, wurde durch ein geschlechtsloses Strichmensch ersetzt.

 

So weit, so gut.

 

 

Aber wenn man schon "durchdschändert", wie die Fachfrau hier sagen würde, warum die Inkonsequenz, die Strichfrau (darf man das überhaupt schreiben) nicht durch ein geschlechtsloses Strichmensch zu ersetzen? Dürfen wir Männer ab jetzt nicht mehr mit einem Kind spazieren gehen? Oder müssen wir einen Rock dazu anziehen? Was machen Frauen, die Hosen tragen? 

 

Oder ist ein einzelner Mann mit einem einzelnen Kind an der Hand heute einfach mal so im Generalverdacht?

 

Ich seh hier durchaus noch Handlungsbedarf.

 

 

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