Crash Test (ohne) Dummies

Boxautos für ganze Männer

Bild: Eberhard Weilke und Alexander Dech
Text: Alexander Dech und Eberhard Weilke

Eins vorab, um jeglichem Missverständnis vorzubeugen: Es handelt sich hier nicht um Fahrzeuge mit der Sonderausstattung Code 99/5 "Zierstab rundum verstärkt", Code 99/4 "Mächtige Zugangsverweigerung" oder gar Code 99/7 "Leitplanke für außerhalb von Kraftfahrstraßen". Diese panzerähnlichen Stahlungetüme stammen auch weder aus "Jurassic Park 3", noch aus einem Forschungsprojekt der frühen 80er Jahre "Passive Sicherheit für innerstädtische Fahrzeugparkierung unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse weiblicher FahrzeuglenkerInnen"....

Nein, bei diesen beiden Innenlenkern handelt es sich um Übungsfahrzeuge des Sondereinsatzkommandos der Polizei Baden-Württembergs. Denn was ein rechter Sondereinsatzpolizist sein will, der muß das fach- und sachgerechte Stoppen und Abdrängen der Kraftfahrzeuge böser Buben beherrschen. Da hierbei naturgemäß die Karosserie zum Verschleißteil avanciert, wurden für Übungszwecke zwei Fahrzeuge mit einigem Aufwand für diese ungewöhnliche Aufgabe präpariert.

 

Als Basisfahrzeuge kamen zwei Mercedes zum Einsatz, ein gelber 230 der Typenreihe W123, und eine S-Klasse (W126), die anscheinend irgendwann in den 80er Jahren als zivile Gebrauchtfahrzeuge gekauft worden waren, da keine sonderfahrzeugtypischen Einbauten auf einen ehemals hoheitlichen Einsatz hindeuten. Zwar weisen beide Baureihen die gestaltfeste Sicherheitsfahrgastzelle nach dem Patent des berühmten "Nestor der passiven Sicherheit" Béla Barényi auf, trotzdem wurde in beide Fahrzeuge ein Überrollkäfig eingebaut. Sicher ist sicher. Sowohl der Kofferraum als auch der Motorraum erhielten Verstärkungsrohre, die, durch Durchführungen in der Karosserieaußenhaut geführt, der Befestigung der handelsüblichen Leitplankenstücke dienten. Hierzu mußte allerdings bei der S-Klasse zuerst der Tankstutzen verlegt werden, da er sonst von der Planke verdeckt gewesen wäre.

Um ein Verhaken der Fahrzeuge zu verhindern, erhielt der W 123 eine durchgehende Planke auf der rechten Fahrzeugseite, der W 126 auf der linken. Dies hatte jedoch zur Folge, daß man diese S-Klasse nur auf der Beifahrerseite besteigen konnte, der Fahrer vor dem Losfahren also erst durch das halbe Auto klettern mußte. Der Überrollkäfig war diesem Ansinnen nicht gerade förderlich. Aufgrund des Käfigs sind auch bei beiden Fahrzeugen die Fondsitzbänke noch in einem nahezu jungfäulichen Zustand. Nicht in einem jungfräulichen Zustand blieb das Fahrwerk. Stärkere und längere Fahrwerksfedern hielten die Wagen trotz des erheblichen Mehrgewichts auf gewohntem Niveau.

Kurios ist der gelbe Mercedes 230, der sein Leben definitiv mit dem 109 PS starken Vergasermotor gestartet hat, der in dieser Baureihe bis Anfang 1980 lieferbar war. Unter der Haube aber verbirgt sich - leicht am schwarzen Zylinderkopfdeckel zu erkennen - ein späteres 230E-Aggregat, und auch der Drehzahlmesser im Innenraum war beim Vergasermotor nicht offiziell lieferbar. Die genaue Geschichte dieses Wagens, und warum er überhaupt bei so geringer Gesamtlaufleistung (111.000 Kilometer stehen auf der Uhr) schon einen Tauschmotor erhielt, wird wohl für immer im Verborgenen bleiben....

Heute stehen die Fahrzeuge nach längerer Abstellzeit beim Verwerter....

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