Gestatten, Knöpfle...

Text und Bild: Eberhard Weilke

Mit dieser Anzeige nahmen die Dinge ihren Lauf

Es ist Montag morgen, 6.38 Uhr, mein erster Urlaubstag. Ich steh an der Bushaltestelle in Plochingen-Stumpenhof und frag mich grad, wie das hat wieder passieren können. Es ist noch kühl, ich bin müde, bin in einem schmucken Blaumann gewandet, neben mir eine Tasche, in ihr rote Überführungskennzeichen, eine Kamera und ein gutes Buch. Vor mir liegt eine Reise, bei der ich mit Bus, Zug, Schiff, Bus und Fußstrecke bis auf die Luftfahrt fast alle Reiseformen erleben werde, die man in Mitteleuropa erleben kann. Und das für nur 200 km Strecke, denn es geht nach Konstanz am Bodensee. Aber was, um Gottes Willen, will ich dort? Ich will „Knöpfle“ abholen, unseren netten, kleinen Abschlepper.

 

Kurz mal schnell anschauen

Eigentlich sollte man E-Mails nicht beantworten, in denen angefragt wird, ob man sich „nur kurz“ einen Wagen für den Club ansehen soll. Den Link, den mir zwei Clubfreunde aus dem hohen Norden geschickt hatten, war jedoch zu interessant. Auf Mobile stand ein 406er Abschlepper, seit etwa 2000 abgemeldet, mit vollständigem Zubehör wie Bergekran, Hubbrille, Funkgerät, Cassettenradio, Dollies und einem Ersatzgetriebe. Der Motor sei recht neu, mechanisch alles soweit gesund, nur hätte es an ein paar Ecken etwas Rost. Der Preis war wohlfeil, allerdings ohne Verhandlungsmöglichkeit.

 

 

 

 

 

 

Die erste Besichtung.

 

 

 

 

 

 

Eigentlich sah die weitere Planung vor, dass ich fünf Tage später zusammen mit einem eine KFZ-Werkstatt besitzenden und daher mit Altblech nicht unerfahrenen Freund zur Besichtigung fahre. Wie das aber so ist, wenn einen der Altblechvirus befallen hat, überkam mich der Drang, das Ding zu sehen, schon früher und schon am nächsten Nachmittag machte ich mich auf den Weg. Dass das am Freitag Nachmittag bedeutet, zusammen mit vielen anderen sich auf den Weg zu machen, die zwar nicht das gleiche Ziel, aber die gleiche Autobahn wählten, hatte zur Folge, dass wir alle zusammen in 17 km Stau und zähfließendem Verkehr uns durch das Kreuz Stuttgart und die A 81 bis hinter Ehningen wälzten. Die anschließende Ausnutzung der maximal möglichen Geschwindigkeit (sowohl legal, als auch technisch...) brachte mich trotzdem um Punkt 17 Uhr zum verabredetem Treffpunkt in ein Konstanzer Industriegebiet. Nach etwas Gekurve durch immer obskurere Gassen (ich weiß jetzt, wo Konstanz sein Rotlichbezirkle hat) stand ich vor ihm: Knöpfle, ein in die Jahre gekommener, erfahrener, aber noch nicht rettungslos zerschundener Abschleppwagen. Was für ihn sprach: Er startete sofort, der Motor lief rund, er bremste, alle Lampen leuchteten, er ist vollständig. Was gegen ihn sprach: Mittelstarker Rostbefall am Rahmen mit zwei oder drei klitzekleinen, handtellergroßen Durchrostungen. Die Worte eines Clubkollegen im Ohr, man könne einen Mercedes immer wieder zusammenschweißen, wenn man nur will, beschloss ich, diese Löcher in der Bewertung nicht zu sehr zu gewichten, sondern mich eher darüber zu freuen, dass die Blattfedern, die Achsschenkel und alle weiteren Abschmierstellen sehr gut im Fett standen. Auch liefen jetzt direkt keine Flüssigkeiten aus und der Kühler war praktisch neu.

 

Ich werde noch herausfinden, dass dieses Schiff schneller ist als unser Abschlepper.

 

Natürlich drängte Herr Grötzinger, der Verkäufer, auf eine schnelle Entscheidung, es gäbe noch einen weiteren Interessenten, der sehr stark an dem Fahrzeug interessiert sei. "Ja, natürlich", dachte ich mir, es gibt ja immer noch mindestens einen Interessenten, das behaupte ich bei Verkaufsverhandlungen ja auch immer...

 

Was also tun? Während der Rückfahrt rief ich Horst Stümpfig an, eine Entscheidung einholen. „Horst, soll ich zusagen?“ „Ja was würdest du entscheiden? Du stehst vor Ort, entscheide du.“ „Ich würde ihn ja nehmen. Aber nicht, dass ich dann beim Jahrestreffen mit Katzenkot beworfen werde, wenn der Wagen doch nix ist.“ „Eberhard, es ist immer so, dass man mit Katzenkot beworfen wird, wenn man für den Club vorne steht und etwas entscheidet!“

 

 

Ein Abschlepper mit Geschichte

Sein arbeitsreiches Leben begann der L 406, ganz ähnlich wie Edeka, sein berühmter Bruder, der schon seit Jahren im Clubdienst steht, im Jahre 1966 als Pritsche für eine Baustoffhandlung in Konstanz. Fünf Jahre später übernahm das Abschleppunternehmen Knöpfle den Wagen um ihn zu einem Abschleppwagen umzubauen. Dazu wurde ein damals hochmoderner Bergekran und eine Abschleppbrille bei der Firma Bilstein bestellt und, wie es scheint, in Eigenregie auf den Rahmen aufgeschraubt. Im Brief ist jedenfalls der Hersteller „Bilstein-Knöpfle“ vermerkt. Da irgendwie alles wie Eigenbau aussieht, lässt sich nur schwer nachvollziehen, wer für welche Modifikation verantwortlich zeichnete. Bei der Materialauswahl und –dimensionierung jedenfalls erkennt man die Prämisse, auf keinen Fall zu sparsam zu sein, wenn es stabil werden soll. Der gesamte Heckaufbau ist aus etwa 5 mm dickem Blech zusammengeschweißt, der eigentlich nicht wirklich schwach konstruierte Rahmen von Mercedes an zahlreichen Stellen mit aufgeschweißten Blechen verstärkt. Damit das Ganze dann nicht nach hinten umkippt, vor allem, wenn das erlaubte Gewicht des zu bergenden Fahrzeugs von 1200 kg voll ausgereizt ist, ersetzt eine Kastenstoßstange das zierliche und eigentlich elegante Originalteil. Innen an der Stoßstange sind an mehreren Stellen dicke Stahlplattenpakete eingeschweißt, sie dürfte alleine schon so viel wiegen wie ein nackter Golf 1. Ohne jetzt auf eine Waage gefahren zu sein, schätze ich, dass das Leergewicht nicht allzu weit vom zulässigen Gesamtgewicht von 3900 kg entfernt sein. Schon leer vermisst der Wagen mit seinen 55 schmächtigen Dieselpferdchen ein wenig an Fahrdynamik, wie sich das mit aufgeladenem Unfallwagen anfühlt, das möchte ich mir nur vorstellen müssen. Was gefällt, ist der elektrische Antrieb für Bergekran oder Hubbrille, jedoch bedarf der Windenmotor noch einer Revision. Zum Zubehör gehört eine Stange mit Zusatzrücklichtern und –blinkern, so dass auch elektrisch tote Autos sicher geschleppt werden können sowie zwei Dollies, die man unter nicht rollfähige Räder schnallen kann. In der Werkzeugkiste sowie im Holzaufbau in der Mitte finden sich noch allerlei Ketten, Stahlseile, Brechstangen und anders nützliches Werkzeug.

Immer am Fluss lang

Eine Woche später stand ich also an der Bushaltestelle, um mit dem Regionalexpress über Ulm nach Friedrichshafen zu fahren. Dort stieg ich, einerseits, weil die Internet-Auskunft der Bahn dies so ausspuckte, andererseits aus touristischer Neugier (immerhin war es ja der erste Urlaubstag!) auf die Katamaran-Schnellfähre um, die mich nach Konstanz brachte. Dort dann noch ein Stück mit  dem Stadtbus, ein kleiner Fußweg (vorbei an dem Haus mit der roten Laterne im Fenster) und schon stand ich am Treffpunkt, dem Abstellplatz. Hinter dem Zaun linste Knöpfle hervor, wen ich auch nach 20 Minuten Wartezeit noch nicht erlinsen konnte, war Herr Grötzinger. Der wird doch nicht mit unserem frisch überwiesenen Geld...? Ach herrje, ich steh bei der Hauptversammlung ohne Auto da, die werden den Katzenkot schon aufkochen...

 

Konstanz, jahrzehntelang die Heimat von Knöpfle.

Ein Griff zum Mobiltelefon brachte Entspannung:

 

„Guten Morgen Herr Grötzinger, ich bin da, wo sind sie?“

 

„Guten Morgen, ich musste noch mal schnell raus, zwei Schweizer vom Kreuz Hegau holen, das wird noch eine halbe Stunde dauern.“

 

„Ach so, kein Problem, ich hab ein Buch dabei. Lassen sie mich raten, Subaru Impreza WRX?“

 

„Respekt, richtig, es ist ein blauer Impreza, Zulassung in der Schweiz!“

 

Als der Herr Grötzinger eine halbe Stunde später mit seinem modernen Iveco-Abschleppwagen um die Ecke rollte, stellte sich heraus, dass ich mit meiner eigentlich wilden Vermutung voll ins Schwarze getroffen hatte. In diesem Monat sei es schon der dritte schweizer Impreza gewesen, den er von der Autobahn holen musste. Die Straßenversion des mehrfachen Rally-Weltmeisters erfreut sich bei jungen, wohlhabenden Schweizern einer gewisse Popularität. Gerne wird dann samstags der Schritt über die Grenze gewagt um auf der A81 auszuprobieren, was der Wagen so bringt. Das Kreuz Hegau hat sich da als so eine Art Benchmark herausgestellt, auf der die normalerweise im innerschweizer Trödelverkehr eingefahren Hochleistungsmotoren bei Höchstleistung dann die Kolben strecken.

 

Startklar für das große Abenteuer.

 

Nach diesem kleinen Exkurs in die moderne Automobilwelt wollen wir uns aber wieder der historischen Technik widmen. Nach Befestigung der Nummerntafeln mit einem guten Dutzend Kabelbindern sprang der Motor nach dem ersten Vorglühen sofort an, das war schon mal ein guter Start. Knöpfle und ich verabschiedeten uns von Herrn Grötzinger und es ging los zur Tankstelle, die Betriebsstoffe und Reifenluft auffüllen. Frisch gestärkt (auch ich hatte mir ein Mittagessen mit Tankstellenschokolade und Eistee gegönnt) machten sich Knöpfle und ich auf den Weg.

"Wo ist denn da der Fahrer?" "Das ist so ein Typ im Blaumann!"

 

Da sich die Rückfahrt über die Autobahn aus naheliegenden Gründen verbot (die Mindestgeschwindigkeit von 60 km/h sollte sich tatsächlich noch als Herausforderung herausstellen) rollten wir erstmals Richtung Osten, um Knöpfle einen letzten Blick auf seine Heimat zu gönnen. Außerdem wollte ich mit der Autofähre nach Mersburg übersetzen, schließlich handelte es sich irgendwie ja auch um eine Urlaubsreise und da gehört eine Schifffahrt dazu. 

Schnellkurs-Pendelverkehr. Aber nicht mit mir!

Es waren dann auch die eher kleinen und kleinsten Straßen, die wir wählten, denn bald stellte sich heraus, dass durch die lange Standzeit bei Geschwindigkeiten über 52 km/h entweder die Räder, oder die Kardanwelle, oder das Getriebe oder alles zusammen zu einem ziemlich starken Dröhnen ansetzen. So lag die V-max dann bei ehrlichen 50 km/h, bei der geringsten Steigung (und glaubt mir, da waren ein paar dabei, die man mit dem bloßen Auge nicht erkennen konnte) war jedoch auch diese Geschwindigkeit nur frommes Wunschdenken.

Ein Verkehrsunfall! Das sieht nach Beute aus.

 

In Erwartung dieser Problematik hatte ich deshalb eine Route ausgeknobelt, welche die Isohypsen nur in ganz spitzen Winkel kreuzen durfte. Am Wegesrand herumliegende Unfallfahrzeuge wurden auch nicht angefasst, wollten wir uns doch keine unnötige Ballast aufbürden. So ging es gemütlich am Nordufer des Überlinger Sees entlang, wir fuhren durch Uhldingen, am Kloster Birnau vorbei, Überlingen, Sipplingen kamen schließlich nach Ludwigshafen. Dort galt es, die immense Steigung nach Stockach zu erklimmen, um dann nach Norden ins Donautal zu rollen.

Der alte Angstgegner

 

Für Abwechslung und Unterhaltung sorgten drei erfolgreich abgeschlossene Überholvorgänge: Zweimal der gleiche Radfahrer (ich musste kurz halten, um in die Karte zu blicken, schon hatte er mich wieder eingeholt) und einmal ein Traktor mit Anhänger. Auch sorgte das zeitgenössisch richtige Blaupunkt Goslar für Kurzweil, hatte es doch besten Empfang auch in entlegensten Landstrichen. Wer jedoch bei Blaupunkt auf die Idee kam, ein Radio „Goslar“ zu nennen, das würde mich schon einmal interessieren. Warum dann nicht gleich „Castrop-Rauxel“ oder kurz und prägnant „Stammheim“?

 

 

 

 

Nach ein paar Fotohalten im wunderschönen Donautal erreichten Knöpfle und ich die ehemalige hohenzollerische Landeshauptstadt Sigmaringen, um uns entlang der Lauchert nach Norden, Richtung Gammertingen zu orientieren. Mein Steigungsvermeidungskonzept, immer möglichst entlang von Flussläufen zu navigieren, hatte sich bis dahin bewährt. Allerdings zwang uns eine Vollsperrung bei Verringendorf zu einer Umleitung und einen kleinen Exkurs auf die Albhochfläche.

Auf der Alb eilt die Zeit nicht so übertrieben schnell dahin.
Blutsbrüder.

 

Die acht Kilometer Steigung waren sogar in etwas weniger als einer halben Stunde erklommen, die malerischen Dorfdurchfahrten mit solch Sehenswürdigkeiten wie dem „Kaufhaus Kempf“ entschädigten für den Zeitverlust. Auch fanden wir einen 319er Feuerwehrwagen, den mir die Besitzerin prompt zum Kauf anbot!

Wenn schon keine Beschleunigung, dann wenigstens gute Bremsen.

 

Knöpfle und ich ließen uns jedoch nicht beirren, außerdem galt es, das Tempo ein wenig zu forcieren, wollte ich doch noch vor Einbruch der Dunkelheit mein Fahrziel erreichen. Nicht jeder heutige Verkehrsteilnehmer erwartet nach der nächsten Kurve einen mattschwarz lackierten und mit zwei acht Zentimeter großen, müde leuchtenden Rücklichtern kenntlich gemachten Eisenhaufen, der mit 15 km/h den Berg hinauf schnauft...

Über den Dächern von Neuffen.

 

Wir eilten also durch Gammertingen, durch Trochtelfingen, Kleinengstingen nach Ohnastetten, um bei Bad Urach ins Tal zu klettern. In Richtung Hülben ging es wieder steil der Berg hinauf um bei Neuffen endgültig die Albhochfläche zu verlassen. Durch Nürtingen hindurch ging es nach Oberboihingen und schon waren wir nach knappen 7 ½ Stunden reiner Fahrzeit im heimatlichen Plochingen.

Ich muss zugeben: Ich habe noch nie ein so langsames Kraftfahrzeug bewegt, das gleichzeitig so dermaßen viel Spaß vermittelt!

Große Klappe, nichts dahinter.

 

 

Owatrol im Haar

Nach diesem Abenteuer stand Knöpfle bei mir in der Einfahrt. Auch die zweite Bestandsaufnahme zeigte, dass die Substanz des Wagens eigentlich gar nicht so schlecht war. Nach 40 harten Berufsjahren hatte der Rost am Rahmen genagt und teilweise war dieser auch schon verstärkt und geflickt, aber insgesamt war noch genug Substanz da, um nach etwas Schweißarbeit einen Besuch beim Tüv als nicht völlig abwegig erscheinen zu lassen. Auch die neuen Bremsleitungen wussten zu gefallen.

Die schöne Rahmenseite.

 

Aber was macht man jetzt mit so einem Teil, das angerostet ist und bei dem man dauerhaft eine schöne Patina erhalten will, ohne ein nicht erhältliches Neuteil zu besorgen oder tagelang mit der Sandstrahlpistole Spaß zu haben? Ich hab deshalb Dirk Schucht angerufen, der mit seinem Korrosionsschutz-Depot.de zweifellos einer der absoluten Koryphäen beim Thema Gammelbekämpfung ist und ihm das Problem geschildert.

Die Plane war anschließend wertlos.

 

Nach Ansicht der zugemailten Bilder gab er mir die Empfehlung, den Rost oberflächlich abzubürsten und dann den Rahmen mit Owatrol so lange zu bepinseln, bis die ölige Rostschutzgrundierung alle Poren durchdrungen hat. Das stoppt den Rost ziemlich nachhaltig und bildet einen Untergrund, auf dem ein Lack mit dem Namen "Brantho Korrux" sicher halten würde und einen dauerhaften Lackaufbau bietet. Ich hab mich dann für den klassischen Lasterrahmenfarbton RAL 3009 rotbraun entschieden und das Material bestellt.

Netterweise überließ uns Dirk Schucht uns für das Clubfahrzeug das Material kostenfrei und gab uns gleich noch den Tipp, den Moder am Holzaufbau mit Owatrol zu bekämpfen und den Blattfedern großzügig Mike Sanders zu spendieren, da dieses zwischen die Federlagen wandert und so nicht nur den Rost stoppt, sondern auch das Ansprechverhalten verbessern würde.

Zwei Tags später lag ich dann unter dem Knöpfle und pinselte penibel alle Rahmenteile ein. Wie immer, wenn man am Auto arbeitet, dauerte das natürlich erheblich länger, als erwartet. Das bedeutete dann  auch, dass ich nicht fertig wurde und der endgültige Farbauftrag irgendwann später erfolgen muss, denn am Freitag spätestens sollte der Wagen nach Ornbau, da ich am Samstag nach Schweden in den Urlaub wollte. Aber immerhin war so der erste Korrosionsschutz gewährleistet und wenn das Zeug auf Metall nur halb so zäh haftet wie auf Haut und Haaren, dann hat der Rost in Zukunft keine Chance mehr.

 

Anruf in Stockholm

Nach der freitäglichen Überführung nach Ornbau dachte ich, dass das Thema Knöpfle für mich jetzt erstmal abgeschlossen ist. Meine Freundin und ich fuhren zum Campen nach Schweden, zwei Wochen Ruhe und Entspannung (und endgültige Entfernung von Owatrol-Resten aus dem Haupthaar) waren angesagt. Irgendwann läutete mal kurz das Mobiltelefon, aber mit Blick auf die doch beträchtlichen Roaming-Gebühren ließ ich es läuten, vor allem bei der unbekannten Nummer aus dem Bayrischen auf dem Display. Ganz entspannt kamen wir bei unserer Rundreise nach einer Woche in Stockholm an, hier bot sich dann auch die Möglichkeit, im Internetkaffee die E-Mails der letzten Woche anzusehen. Unter 80 Einladungen, viel Geld zu verdienen, auszuleihen, zu waschen oder stattdessen die eigene Anatomie zu verbessern, stach ein Mail von meinem Abteilungsleiter ins Auge. Es ist normalerweise kein gutes Zeichen, im Urlaub Mails aus der Firma zu erhalten, weshalb ich leicht besorgt auf „öffnen“ drückte. „Rufen Sie bitte sofort Herrn Hübner beim Bayrischen Rundfunk an, es ist dringend!“ Ach du meine Güte! Ich bin bei uns im Haus ja für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, aber was kann der Bayrische Rundfunk denn von mir wollen?

 

Ich tippte also die anhängende Nummer, ohne Rücksicht auf Roaming-Kosten:

 

„Bayrischer Rundfunk, *krächkrächz* am Apparat, Sie wünschen?“

 

„Der Herr Hübner möchte mich sprechen.“

 

„Der ist grad nicht im Büro. In welcher Sache wollen sie ihn sprechen?“

 

„Weiß ich nicht, er will ja was von mir.“

 

„Wollen sie etwas verkaufen?“

 

„Nein, eigentlich nicht. Hmmm. Ich gebe ihnen mal meine Nummer, wenn Herr Hübner was von mir will, soll er mich anrufen.“

 

Deutlich irritiert legte ich auf und kategorisierte das Gespräch in die Sparte der eher surrealen Telefonate, die ich bisher in meinem Leben geführt hatte.

 

Zehn Minuten später läutete dann das Telefon, wir waren gerade auf Barkassenrundfahrt in den Schären vor Stockholm. Herr Hübner war am Apparat und berichtete gleich, dass er fast einen Herzinfarkt bekommen hätte, als er mitbekam, dass das Gespräch zwischen seiner Assistentin und mir so, sagen wir mal, unproduktiv verlaufen war. Der eigentliche Grund für seinen Anruf sei folgender: Ich sei ihm bei Herrn Grötzinger um zwei Stunden zuvor gekommen mit dem Kauf des Abschleppwagens. Es gab ihn also tatsächlich, den Interessenten, der gleich nachher kommt! Er arbeite als Requisiteur für den Bayrischen Rundfunk und sie bereiteten gerade in der Nähe von Dachau die Dreharbeiten für eine „Daily Soap“ aus einem bayrischen Dorf vor. Ein altes Fabrikgelände würde umgebaut zum Dorf, mit Kirche, Gasthaus, Rathaus, Bäckerei, Metzgerei. In dem Dorf gäbe es auch eine Autowerkstatt, deren Besitzer eine der Hauptpersonen des Plots sei und sie hätten sich in den Abschleppwagen im Internet verliebt und der Produzent wolle ihn unbedingt haben. „Würden sie uns den Wagen für die Dreharbeiten vermieten?“

Ich antwortete, dass ich das gar nicht entscheiden kann, da das bei uns im Prinzip der Vereinsvorstand absegnen muss und gab ihm die Kontaktdaten vom Horst. Nach drei, vier Telefonaten zwischen Dachau, Ornbau und Stockholm war alles in trockenen Tüchern: Horst würde am Montag das Knöpfle nach Dachau fahren, am Dienstag ging es mit dem Dreharbeiten für „Dahoam is dahoam“ los. Knöpfle würde für etwa ein Jahr am Set bleiben, wir könnten ihn aber zu Messen und Treffen abholen. Als Miete erhalten wir eine Summe, die den Kaufpreis fast vollständig ausgleicht, so dass Knöpfle nahezu kostenneutral in den Vereinsbesitz übergegangen ist! Eine eigentlich für alle Seiten perfekte Lösung.

 

 

Bei den Dreharbeiten.

 

Die Zukunft

Was machen wir dann mit Knöpfle, wenn er von seinem Ausflug ins Show-biz zurück kommt? Zum einen wird er natürlich als Sympathieträger für den Verein auf Messen und Ausstellungen unterwegs sein. Zum anderen dokumentiert er natürlich ein wichtiges Stück automobiler Kulturgeschichte, als 55 PS noch ausreichten, um gewerblichen Abschlepp- und Bergedienst zu leisten. Und zuletzt wird er beim nächsten Jahrestreffen als Freund und Helfer zur Verfügung stehen, wenn es notwendig ist, havarierte Klassiker wieder flott zu machen beziehungsweise bei falsch parkenden Zeitgenossen ein wenig erzieherisch tätig zu sein.

 

Denn eines hat Knöpfle über die Jahre nicht verlernt: Andere Autos an den Haken zu nehmen!

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