Glanzvoller Auftritt für klassische Automobile
Text und Bild: Eberhard Weilke
Es war die achte Retro Classics und es war die erste im neuen Messegelände in der Nähe des Stuttgarter Flughafens. Gegenüber den bisherigen Ausstellungen in den altehrwürdigen Hallen des Killesbergs hat sich einiges getan: Mit 50.000 Besuchern wurde die Besucherzahl des Vorjahres um 25% übertroffen. Mehr als 800 Aussteller zeigten etwa 2000 Fahrzeuge, brachten Werkzeug, Teile, Zubehör auf ihre Stände oder boten Dienstleistungen rund um das klassische Automobil an. Selbst die Ausstellungsdauer ist gewachsen: Statt, wie bisher, an drei Tagen kam der „Preview Day“ am Donnerstag-Nachmittag hinzu. Für die professionellen Aussteller mag dies eine Bereicherung sein, für die ehrenamtlichen Aussteller auf den Clubständen ist ein weiterer Tag Urlaub notwendig.
Neben den reinen Zahlen hat sich auch sonst einiges auf der Retro Classics geändert. Wenn man sich auf den Ständen umhört, wird die Messe als deutlich ambitionierter und professioneller bewertet, dies schlägt sich auch in einem stärkeren Engagement der lokalen Konzerne nieder. Porsche, Bosch und Mercedes-Benz reüssierten mit hochwertigen Ständen, bei denen weder Kosten noch Mühen gescheut wurden, um das eigene Produkt im richtigen Licht und edler Umgebung wirken zu lassen. Zumindest in Halle 1 waren die Zeiten des heimeligen Killesberg vorbei, wo noch Holz, Leinwand und viel Kreativität die Szene beherrschte, dieses Jahr war der Trend zum professionellen Messebau mit konsequenter Umsetzung allfälliger Konzern-CI-Richtlinien nicht zu übersehen. So wirkte dann häufig nicht nur der Standteppich etwas farblos und fade.
Dass das mal pfiffiger ging, zeigten vergangene Engagements auf der Techno Classica in Essen: Da wurden Meilenmillionäre vorgestellt oder eine S-Klasse-Ausstellung zusammengetragen, in der nur Autos aus prominentem Vorbesitz zu sehen war. Das Depot des Museums ist voller unbekannter Schätze, eine Messe ist eine schöne Gelegenheit, diese auch einmal zu zeigen.
Sehr symphatisch die Standbesatzung bei Porsche: In ihren historischen Vorbildern angelehnter Mechanikerkleidung leicht zu erkennen, gaben sie kompetent Anworten auf die Fragen der Besucher und zeigten an dem halbseitig restaurierten Boxermotor, welches Leistungsspektrum einen beim Kundenzentrum Classic erwartet. Dass die ausgestellten Ersatzteile nichtgerade zärtlich bepreist waren, trifft einen bei Porsche ja nicht unerwartet.
In Halle 1 fanden sich auch die großen Namen der Händler und Restaurateure, wie Kienle, Mirbach, Stickel, HK-engineering oder Mechatronik. Auf deren Ausstellungsflächen zeigt sich der sehr erfreuliche Trend wieder hin zum originalen Fahrzeug in der zeitgenössisch richtigen Lackierung und Innenausstattungsfarbe. Gerade bei den 300 SL als Roadster und als Flügeltürer (ihre Anzahl war kaum überschaubar) sieht man förmlich, wie all die Autos, die in den 80er und 90er Jahren in den silbernen Farbtopf gefallen sind und nur bei der Lederausstattung die Individualisten statt rot den blauen Ausschlag wählten, jetzt wieder in ihrer ursprünglichen Schönheit strahlen dürfen. Auch wenn man die Farbkombination hellelfenbein außen, innen grün zuletzt in dieser Dichte an einem Taxistand in den 80er und 90er Jahren gesehen hat.
Bei Mirbach fanden sich wie immer die hochpreisigen Fahrzeuge. Als wirkliche Besonderheit hatte man einen originalen BMW 501-Streifenwagen mitgebracht, dessen Zustand zwar schon etwas angenagt, dessen Originalität und Authentizität jedoch überzeugten.
Mut zur Individualität zeigte auch die Firma HK-engineering, die nicht nur einen Flügeltürer als Restaurationsobjekt vorstellte, sondern auf dem Stand des Böblinger Meilenwerks ein zweites Fahrzeug zeigte, das die letzten Jahrzehnte in Florida im Container verbrachte.
Richtig exaltiert wirkte die knallig gelbe Pagode auf dem Stand des Pagoden-Centers Stickel. Jessas! Nicht nur die Farbe stach ins Auge, auch die Kompletttönung der Scheiben in schwarz hat man bei einer Pagode so bisher nicht gesehen, zumindest nicht auf dieser Seite des Atlantiks!
Interessante Autos auf den Clubständen
Der Großteil der Besucher war jedoch nicht wegen der Edel-Fahrzeuge gekommen, sondern wollte das gesamte Spektrum der Klassiker sehen, vom edlen Rolls-Royce über den Alltagswagen vergangender Jahrzehnte bis hinunter zum Goggomobil und anderen Kleinstwagen. Und da hatten die Hallen 3, 5, 7 und 9 dieses Jahr einiges zu bieten.
Die Region Karlsruhe präsentierte ihre Oldtimerszene und zeigte mit einer vollständigen Chevrolet-Corvair- Ausstellung sehr exklusive Fahrzeuge. Der Corvair als Limousine, Coupe und Cabrio sind ja hinlänglich bekannt, dass es auch einmal einen Station Wagon und einen Lieferwagen gab, wissen die wenigsten.
Hierzulande denken bei luftgekühlten Sechszylinderboxern auch die wenigsten an Detroit. Dabei hat der Corvair durchaus seine Spuren in der Automobilgeschichte hinterlassen: Mit einer Stückzahl von fast 1,7 Millionen Autos zeigte der Kompaktwagen, dass Chevrolet in den 60ern nicht nur Einheitskost mit separatem Rahmen und V8 bzw. R6 auf der Karte hatte, sondern auch technisch anspruchsvollere Konzepte erfolgreich beherrschte. Und während sich der Corvair technisch an Käfer und Porsche 356 und somit Europa orientierte, inspirierte die Karosserie mit ihrer ausgeprägten, umlaufenden Gürtellinie die europäischen Gestalter, die den NSU Prinz, Fiat 1300 oder Saporoschez ZAZ-968 zeichneten.
Wenn man über die Stände der Clubs mit den Sammelgebieten der 70er und 80er Jahre schlenderte, konnte man auch hier den Trend zur Farbenfreude und Originalität feststellen. Egal ob Audi und Volkswagen, Opel, Volvo, französische oder italienische Autos: Es finden sich kaum noch tiefergelegte Autos auf viel zu großen Rädern, sondern immer mehr gut erhaltene Originalfahrzeug, gerne liebevoll dekoriert mit den zeitgenössischen Accessoires.
Auf dem Stand des Glas-Clubs versteckte sich eine wirkliche Rarität: Ein Goggomobil "Furgoneta", das bei Munguía Industrial S.A. (MUNISA) im Jahre 1965 unter Lizenz der Hans Glas GmbH in Spanien gefertigt wurde.
Das Fahrzeug auf dem Stand hat als Neufahrzeug in der Tiefgarage der ehemaligen Goggomobil-Vertretung in Madrid überlebt und ist eines von weltweit noch zwei existierenden Fahrzeugen dieses Typs.
Da ist selbst der danebenstehende Glas V8 ein Massenprodukt, die Flügeltürer aus Halle 1 sowieso.
Gleich zwei wirkliche Raritäten zeigte die Passat Kartei auf ihrem Messestand. Zum einen einen inzwischen extrem seltenen Passat 1, als GLI mit der 110 PS Spitzenmotorisierung in einem traumhaften Zustand. Gerade die Helden des Alltags sind es ja, die unbemerkt aussterben. Jahrelang aus dem Stadtbild nicht wegzudenken, tritt zum Ablauf der errechneten Lebensdauer der Rosttod epidemisch auf und rafft innerhalb weniger Jahre eine ganze Baureihe dahin. Und wer sich in privaten Garagen unter pflegenden Händen hat verstecken können, den trifft irgendwann eine seltsame Steuererhöhung, die Einführung von Umweltzonen oder ähnlicher Blödsinn.
Wer sich dem Erhalt dieser irgendwann seltenen und meist völlig wertbefreiten Baureihen verpflichtet, hat höchsten Respekt verdient.
Der zweite Höhepunkt auf dem Stand der Passat Kartei war der IRVW II, der anlässlich der 8. Internationalen technischen Konferenz für Experimental-Sicherheitsfahrzeuge in Wolfsburg vorgestellt wurde. Dieser Vorserienwagen war in Hinblick auf Verbrauch und Sicherheit gegenüber der späteren Serie optimiert, allerdings standen die Mehrkosten einer Serieneinfügung im Wege. Manches wurde dann angepasst im Passat Formel E realisiert, die Idee der witzigen Bremsleuchten in den hinteren Kopfstützen wurde leider nicht weiter verfolgt. Das Auto gehört heute der Stiftung Automuseum Volkswagen und es ist sehr erfreulich, dass dieses Einzelstück auf der Retro Classics auch einmal einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird.
Nicht besonders auffällig, aber dennoch hoch interessant, war der Stand des Mercedes-Benz W201 16V Club e.V. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Weltrekordfahrten in Nardo hatte der Club eines der originalen Rekordfahrzeuge vom Mercedes-Benz Museum für die Ausstellung zur Verfügung gestellt bekommen. Auf dem Stand ging es dann auch zu, wie in einem VIP-Zelt: Ein Großteil der ehemaligen Rekordfahrer schaute vorbei, der ehemalige Chef-Stilist von Daimler Benz, Bruno Sacco machte seine Aufwartung und, eigentlich mehr aus Zufall (eigentlich war der benachbarte Ford Capri-Stand das Ziel), schauten Roland Asch und Dieter Glemser vorbei, die beide sehr erfolgreich mit Mercedes Rennsport betrieben hatten. Sie alle signierten eine Alufelge, die bei diesem, noch recht jungen, Club einen Ehrenplatz bekommen wird neben der Urkunde der Mercedes-Benz Museum GmbH, welche seit dem Retro Classics-Wochenende die offizielle Anerkennung des Clubs durch den Konzern bestätigt.
Und noch ein der Marke Mercedes verbundener Club konnte sich an diesem Wochenende freuen: Der Verein der Heckflossenfreunde e.V. (VDH) hatte mit rotem Teppich und vergoldeten Rahmen an das 40-jährigen Jubiläum des Strichachters erinnert und durfte sich zu Recht über die Auszeichnung zur „Schönsten Club-Präsentation“ freuen.
Ein zweiter erster Preis (sic!) ging bei der Preisverleihung am Sonntag nachmittag an die Bulldog- und Schlepperfreunde Württemberg (BUSF), die einen halben Wald mit auf die Messe gebracht hatten und sehr anschaulich darstellten, wie früher „Holz gemacht“ wurde. Von der Stihl-Zweimannsäge, Ladewagen bis zu fahrenden Bandsägen war alles aufgefahren um sich ernsthaft um Brennholz zu kümmern.
Traditionell ein Schwerpunkt: Die Nutzfahrzeuge
Auch wenn auf dem Killesberg es beim Platz etwas arg zwackte, hatten die Veranstalter der Retro Classics immer Wert gelegt auf eine sehenswerte Ausstellung an alten Bussen und Lastwagen. Das neue Messegelände bot mit Halle 8 jetzt die Möglichkeit, diesen Teil der Ausstellung deutlich zu vergrößern. Neben den Bussen und Lastkraftwagen lag dieses Jahr der Schwerpunkt auf einer Ausstellung von Drehleitern durch den Landesfeuerwehrverband Baden-Württemberg. Von der pferdegezogenen Kutsche über den Opel Blitz bis zum Krupp Tiger mit einem Leiterpark von 52 Metern war alles ausgestellt, die meisten Fahrzeuge sogar mit aufgerichteter Leiter. Das weckte nicht nur bei den kleinen Buben Freude.
Generell positiv aufgefallen ist die große Freundlichkeit und Offenheit der Besitzer von Bussen und Lastwagen gegenüber Familien mit Kindern. Da stört keine Kordel den Entdeckerdrang, niemand hat Angst, dass ein böser Blick den Lack schädigen könnte. Im Gegenteil: Bereitwillig werden alle Fragen beantwortet und wenn sich Kinder im Fahrzeug umschauen wollen, dann ist das mit einer Selbstverständlichkeit möglich, die von der Erfahrung genährt ist, dass ein Bus, der seit mehr als sechs Jahrzehnten im Einsatz steht und durch den schon hunderttausende Kinder getobt sind, nicht hier und heute von diesen Kinderhänden unreparierbar zerstört wird. Da kann sich so mancher Besitzer eines alten PKWs wirklich eine Scheibe Gelassenheit abschneiden.
Weitläufiger Teile- und Fahrzeugmarkt
Noch eine Verbesserung brachte das neue Messegelände: Für Teile- und Fahrzeugmarkt steht jetzt erheblich mehr Platz zur Verfügung und man hat den Eindruck, als ob dieser dieses Jahr auch stärker genutzt wurde. Allerdings spielte das Wetter nicht wirklich mit, so dass die Freifläche weitgehend frei blieb und sich die Autos dicht an dicht in der Halle 9 drängelten. Auch hier sieht man den Trend der Klassikerszene: Schöne, gute Autos gingen weg, gelegentlich auch trotz sehr ambitionierter Preisforderungen. Autos mit starken Schwächen blieben stehen, auch bei großen Zugeständnissen beim Preis.
Ein wenig Kritik zum Schluss
Trotz des insgesamt extrem positiven Eindrucks hinterlassen zwei Dinge einen leicht bitteren Nachgeschmack: Der Eintrittspreis verlässt mit € 14 für den Erwachsenen und
€ 10 für ein Kind (es gibt noch eine Familienkarte für € 28) so langsam die Sphären der Angemessenheit. Hinzu kommte ein Obulus von € 8 für das Vergnügen, in Deutschlands zugigstem Parkhaus parken zu dürfen. Dieses hohe Preisniveau mag langfristig akzeptiert werden, wenn Jahr für Jahr die Messe mit neuen Attraktionen zu unterhalten weiß. Wenn jedoch, das hat man bei anderen, renommierten Veranstaltungen gut beobachten können, die Veranstaltung in den nächsten Jahren auf der Stelle tritt, nimmt schnell die Zahl derjeniger ab, die einen Besuch in Erwägung ziehen.
Als zweiten Punkt gelingt es trotz topp-modernem Messegelände mit durchdachtem Verkehrsleitsystem mit allem Pipapo immer noch nicht, ein halbwegs flüssiges Verlassen des Messegeländes für die Aussteller nach Abbau sicher zu stellen. Da wird Kaution verlangt (statt bisher € 50 sollte man jetzt € 100 in der Hand halten) und so ein Kuddelmuddel verursacht, das völlig unnötig ist. Nach der Messe will jeder heim, da lässt schon keiner ungebührlich lange sein Fahrzeug in den Hallen stehen.
Denn abgesehen von diesen Kleinigkeiten war die erste Messe in der neuen Messe ein voller Erfolg und macht Lust darauf, im nächsten März sich wieder auf den Weg zu machen zur Retro Classics 2009!
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