Zu Besuch im Freilichtmuseum Beuren
- Auf dem Land arbeiten die Generationen zusammen
Text und Bild: Eberhard Weilke
Wer ein Treffen klassischer Fahrzeuge besucht, hat allzu häufig den Eindruck, sich auf dem Filmset von "La dolce vita" verirrt zu haben, so viele Coupes, Cabriolets, Roadster und anderes elitäres Gerät buhlen um das Interesse des Betrachters. Nicht immer fällt es dabei leicht, all den ausgestellten Fahrzeugen in ihrer eingeschränkten Vielfalt die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die dem bei der Restaurierung aufgebrachten Aufwand gebühren würde.
- Parkplatznot war keine Sorge der Dorfbewohner
Ein Blick in die Landkarte zeigt jedoch deutlich, daß unsere Republik überwiegend vom ländlichen Raum geprägt ist. Und hier bestimmten gemeinhin nicht Jaguar E-Type, Pagoden-SL, Porsche 356, offene Triumphs oder Healeys das Straßenbild. War deren natürliches Habitat, insbesondere in den 50er, 60er und 70er Jahren, in München-Schwabing oder auf der Düsseldofer Kö zu finden, so sorgten für die Mobilität des Landmanns eher robuste Motorräder; handfeste, mit der obligatorischen Anhängerkupplung bewehrte Limousinen; beziehungweise meist ein landwirtschaftliches Nutzfahrzeug.
- Drei Universal-Motorgeräte
So bietet das Freilichtmuseum Beuren am Fuße der Schwäbischen Alb jeden Sommer bei seinem Oldtimertreffen einen wunderbaren Einblick in die Geschichte der Mechanisierung und Motorisierung der agrokulturell geprägten Landschaft. Geladen sind alle Fahrzeuge und Maschinen vor Baujahr 1976, die sich dann auch in einer unerwarteten Vielfalt im Museumsareal verteilen. Was gibt es alles zu sehen: In erster Linie natürlich Traktoren und Zugmaschinen vom Schlage Lanz, Unimog, Fendt oder Güldner. Auch bei den Zweirädern findet sich einiges, das dem Jungbauern damals half, den Genpool der umliegenden Weiler etwas aufzumischen: angefangen bei der NSU Quickly über Horex Regina, BMW bis zu alten Wehrmachtsgespannen.
Als wahre Höhepunkte des Tages zeigt das Museum jedoch Maschinen, die dereinst zwar zum Ortsbild fast jeden Dorfes gehörten, die jedoch fast ausnahmslos auf dem Alteisen landeten.
Selbstfahrende Bandsägen finden sich heute noch ganz vereinzelt auf dem Lande. Als Lohnsägen zogen sie von Hof zu Hof und sorgten dafür, daß genug Brennholz für den Winter in ofengerechte Scheite gesägt wurde, sozusagen überall mächtig Holz vor der Hütten lag. Im Zeitalter der fast allgegenwärtigen Zentralheizung besteht für diese Art der Dienstleistung nur noch wenig Bedarf.
- Die selbstfahrende Säge eines Lohnunternehmers
Mit der Bandsäge zogen sie von Ort zu Ort....
- Praktische Sonderausstattung: die selbsttätige Schleifvorrichtung für das Ersatzblatt
Die Bandsäge in Beuren zeichnet sich durch eine Reihe von Besonderheiten aus: Ein automatisches Schleifwerk wird über einen eigenen Transmissionriemen angetrieben und schleift Zahn für Zahn des Reservesägebandes. Dies spart Kosten, da so das Sägeband nicht zu einer Schleifwerkstatt gebracht werden muss und an der Säge immer ein frisches Band für den Notfall bereit ist. Eine weiterer Transmissionsriemen dient dem Antrieb, so daß im Zusammenspiel mit der hochmodernen Achsschenkellenkung an der Vorderachse doch gewisse Fahrleistungen möglich sind.
- Das Nummernschild gab es für die französische Zone in Württemberg
Beim Antrieb zeigt sich wieder die Richtigkeit des Grundsatzes, hohe Betriebssicherheit durch äußerste Einzylindrigkeit zu erreichen. Der liegende Deutzmotor zeigt mit seinen offen liegendem Ventiltrieb sehr anschaulich, welcher Arbeitstakt gerade geschlagen hat. Wenig hektisch von Gemüt, lässt er einem zur Beobachtung viel Zeit, die Leistung wird hier noch wirklich aus dem Hubraum geholt. Auch das Kühlsystem zeichnet sich durch eine gewisse Simplizität aus: Um den Zylinder ist ein oben offener, mit Wasser gefüllter Kasten. Das verdampft und kühlt so den Motor. Ist es weggedampft, wird neues Wasser nachgegossen. Nun gehört die Schwäbische Alb zu einem der Gebiete mit der höchsten Wasserhärte, dennoch wird auf so Schnickschnack wie destilliertes Wasser verzichtet. Kesselstein kann man notfalls rausklopfen, ansonsten hilft zwischendurch eine Spülung mit Essig.
Obelix hätte seine wahre Freude daran: die Steinquetsche
- Die Steinquetsche macht aus großen Steine kleine und klitzekleine Steine
Am meisten beeindruckt im ganzen Freilichtmuseum jedoch die historische Steinquetsche. Als Karstgebirge besteht die Schwäbische Alb zu einem großen Teil aus Kalkstein. Um diesen lokal zu Schotter und Split zu verarbeiten, kam dieses urtümliche Gerät zum Einsatz. Auch sie wird nach dem bewährten Prinzip eines Transmissionsriemen durch einen kleinen Schlepper angetrieben. Einmal in Schwung, zertrümmert sie die oben eingeworfenen Steinbrocken in einem nach unten schmäler werdenden Quetschwerk zwischen zwei sich ständig gegeneinander bewegende Quetschplatten, bis der Schotter und Split eine einheitlich maximale Korngröße erreicht. Anschließend rutscht das Brechgut in eine Siebtrommel. Durch die immer größer werdenden Lochplatten fällt zuerst der Feinsplit, dann der gröbere Split und anschließend der Schotter aus der Maschine. Je nach Einsatzzweck lässt sich jetzt Material mit der geeigneten Sieblinie unter der Trommel entnehmen.
- Man kann Kindern nicht früh genug ein Gefühl für Gefahr geben
Das Schöne am Beurener Freilichtmuseum ist, daß jedermann auf nahezu beängstigend nahe Art und Weise die Technik im Einsatz erleben kann. Es ist das eine, so ein Gerät steril im Museum aufgebahrt zu sehen. Es ist etwas ganz anderes, die Maschinen in voller Aktion im historisch richtigen Ambiente mit Leben erfüllt zu erleben. Zur großen Harmonie trägt bei, daß in Beuren ohne viel Standesdünkel jedes Fahrzeug und jede Maschine vor Baujahr 1976 willkommen ist. So steht dann tatsächlich ein extrem seltener Hanomag-Benzin-Traktor neben einem italienischen Motorrad. Ein Vorkriegs-DKW neben einem Möbellaster. Und eine Steinquetsche neben einem Jaguar E-Typ.
Für mich steht daher schon heute fest: Das nächste Oldtimertreffen in Beuren werde ich wieder besuchen.
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