Wir schaffen Wohlstandsmüll
- Twingo, späte Serie. Verbrauch zwischen 4,5 und 6 l/100km, Euro 3, ein Auto, mit dem ein Berufsanfänger noch jahrelang glücklich werden würde.
Text: Eberhard Weilke Bild: ikonengold.de
Manchmal wünscht man sich wirklich, unsere Politik wäre weniger handlungsfähig. Die Fälle häufen sich, bei denen Berlin einer Entwicklung tatenlos zusieht, um dann, wenn das Kind im Brunnen ist, hektisch mit verwegenen und kontraproduktiven Maßnahmen von sich reden zu machen. Nachdem die Politik durch Umweltzonenunsinn, Plakettenwahn und anschließendem Wirrwarr um die KFZ-Steuer auch beim letzten Kunden die Kauflust gedämpft hat, zauberte man jetzt die Abwrackprämie aus dem Hut, damit der Neuwagenverkauf nicht völlig zum Erliegen kommt.
- VW Golf III, Renault Clio. Beide unter 8 l/100 km, beide Euro 2 oder Euro 3, beides mal sehr beliebte Kompaktwagen.
Da „Abwrackprämie“ so garstig klang, verging man sich wieder am schon arg gebeutelten Wort „Umwelt“, das ja schon bei den Fahrverbotszonen sein grünes Mäntelchen über klare Wirtschaftsinteressen hat decken müssen und nannte dieses 1,5 Milliarden Euro schwere Stück des Konjunkturpaket II-Kuchens einfach „Umweltprämie“. Da dies aber noch nicht verschwenderisch genug war, erhöhte man wenig später die Prämie auf 5 Milliarden Euro, jedem Bürger kostet der Spaß somit rund 50 Euro.
- Opel Astra G und Fiat Marea Weekend. Hervorragende Familienkombis mit niedrigem Verbrauch und Abgaswerten nach Euro 3.
Wie bei vielem, was die Politik aktuell fabriziert, lohnt es sich wieder, genauer hinzusehen. Das haben wir gemacht und zum einen die Vorteile und Nachteile dieses Subventionsfüllhorns für die diversen Marktteilnehmer betrachtet und zum anderen sind wir auf einen Schrottplatz gegangen, um nachzusehen, was da für Autos überhaupt weggeworfen werden und ob durch deren Zerstörung der Umwelt auch nur ansatzweise geholfen wird.
- Mercedes S 124 T-Modell. Eines der langlebigsten und wirtschaftlichsten Autos überhaupt mit Abgaswerten nach Euro 1 oder Euro 2. Dem Wagen im Vordergrund hat seine grüne Plakette auch nichts genutzt.
Nutzt die Prämie dem Autohandel?
In einem klar umgrenzten Segment des Autohandels ist tatsächlich gerade etwas Hochstimmung: Bei den Anbietern von preiswerten Kleinwagen zwischen 5.000 und 10.000 Euro sind die Lager leer, die Schnäppchenjäger buhlen um die Termine für Verkaufsgespräche. Bei Dacia werden die Autos inzwischen zugeteilt.
- Noch mehr Kleinwagen. Und ja, das links oben ist einer dieser notorischen Saufziegen namens Lupo.
Im Segment zwischen 10.000 und 20.000 Euro ist die Nachfrage leicht belebt, da hier eine Reihe von Interessenten ihren Kauf vorziehen und das Prämiengeschenk gerne noch mitnehmen. Hinzu kommt, dass hier die Hersteller teils erheblich höhere Rabatte ja schon von sich aus anbietet.
Im Segment über 20.000 Euro bewegt die Prämie, das ergaben Gespräche mit Händlern, nichts. Da bringt auch das reichlich seltsame Vorgehen von Anbietern wie Audi nichts, einen eigenen Rabatt von EUR 2.500 von der Zuteilung der staatlichen Abwrackprämie abhängig zu machen, im Gegenteil, ein Stammkunde, der beispielsweise alle fünf bis acht Jahre sein Auto austauscht, fühlt sich reichlich auf den Arm genommen.
- Von diesen Kandidaten hat mal keiner mehr als 8 l/100 km verbraucht, geregelten Kat hatten sie (so Benziner) alle.
Wem diese Marktverzerrung jedoch richtige Probleme bereitet, das sind Autohäuser, die auch Gebrauchtwagen anbieten. Insbesondere der Absatz von jungen Leasingrückläufern kommt ins Stocken, da sie zu alt sind für die Förderung und noch zu jung, um selbst verschrottet zu werden. Die zurückhaltende Nachfrage hat Einfluss auf die Restwertberechnung, was wiederum Einfluss hat auf die Leasingrate und so nicht gerade Anreize schafft, dass Unternehmen ihre Geschäftswagen austauschen.
- Opel Astra E Cabriolet. Da war mal jemand sehr stolz drauf. Verbrauch unter 8 l/100 km, Euro 1.
Und selbst die Fähnchenhändler am unteren Wertende des Spektrums spüren die Auswirkungen: Ihnen versiegt der Nachschub an Inzahlungsnahmen der Autohäuser, da diese nicht über die Vermarktungsfirmen (die Firma BCA aus England ist hier Marktführer) angeboten werden, sondern auf den Schrott gehen müssen. Da andererseits die Nachfrage aber auch gedämpft ist, da die Interessenten auf Neuwagen schielen, bleiben die Höfe trotzdem voll.
- Ehemals stolzer bayrischer Technologieträger: BMW E 34
Nutzt die Prämie den Automobilherstellern?
Kaum. Und wenn, dann nur den Herstellern von preiswerten Kleinwagen, die jedoch überwiegend nicht in Deuschland produzieren, häufig noch nicht einmal im EU-Raum. Ob es Ziel sein kann, die koreanische Automobilindustrie mit Geldgeschenken aus Deutschlands Steuerzahler Tasche zu subventionieren, das bleibt zumindest sehr fragwürdig.
- Außer der schrägen Farbe ist diesem feuerverzinkten Langzeitauto nichts vorzuwerfen. Verbrauch 7-9 l/100 km, Euro 3.
Die einheimischen Hersteller werden mittelfristig auch andere Effekte bemerken: Wer seinen Volkswagen, Ford oder Opel verschrottet, um sich im Billigsegment einzudecken, geht als Stammkunde verloren, wenn er merkt, dass so ein Blechkarton einen auch von A nach B bringt.
- Ein wirklicher Meilenstein der Effizienz: Der Audi 100 C4 lief 200 km/h und verbrauchte dabei selten mehr als 7 l/100 km.
Wie oben schon erwähnt, bringt die Subvention natürlich die Restwertkalkulationen der Leasingbanken durcheinander, so dass auch der Absatz an Geschäftswagen ins Stocken gerät und das wird dann die inländischen Hersteller im gehobenen Segment in Probleme bringen. Hinzu kommt natürlich, dass durch die vorgezogenen Verkäufe im zweiten Halbjahr und im nächsten Jahr der Verkauf wieder einbrechen kann, wir also dann keinen Schritt weiter sind, als derzeit, aber inzwischen fünf Milliarden Euro ärmer.
- Für den Rest der Welt praktisch Neuwagen, für uns Schrott.
Nutzt die Prämie den Autokäufern?
Nein. Wer auf Geld vom Staat angewiesen ist, um einen Neuwagen zu kaufen, wird später mit den monatlichen Raten trotzdem zu kämpfen haben. Spätestens bei der ersten Pflichtinspektion beziehungsweise der Prämienrechnung für die obligate Vollkaskoversicherung werden diese Käufer merken, dass es Mobilität nicht zum Nulltarif gibt und ein guter, bezahlter Gebrauchter auch seine Vorteile hatte. Es bleibt abzuwarten, wie viele dieser mit spitzem Stift kalkulierten Finanzierungen die Käufer dann doch überfordern und die Autos bei der ersten Gelegenheit wieder verkauft werden müssen.
- VW Golf III Variant: Geräumiger, sparsamer Familienkombi.
Mehr als ironisch ist, dass man eine Krise, die dadurch entstanden ist, dass in Amerika (und hier in der EU beispielsweise in Spanien) die Menschen dazu verführt wurden, Dinge zu kaufen, die sie sich eigentlich nicht leisten können, dadurch bekämpfen will, dass man die Leute zur Anschaffung von Dingen verführt, die sie sich allzu häufig eigentlich auch nicht leisten können.
Es gibt noch einen volkswirtschaftlichen Effekt, der gerne übersehen wird: Durch den jetzt angefeuerten und von der Allgemeinheit finanziell unterstützten Kaufrausch werden die privaten Ersparnisse für Investitionen abgeräumt. Zwar steht dann ein neues Auto vor der Türe, dafür muss die Waschmaschine weiter durchhalten, der Teppich bleibt auch der Alte und auf das neue Bad kann man ja auch noch etwas warten.
Schade, auch das sind Branchen, die in Deutschland Menschen in Lohn und Brot halten.
- BMW E 34 Touring. Einer der langlebigsten BMW überhaupt.
Nutzt die Prämie den Schrottplatzbetreibern?
Nein, auch sie haben von der Prämie nichts. Zwar steht jetzt der Hof voll mit ausgezeichneten Fahrzeugen, jedoch drängen die Besitzer auf eine schnelle Verwertung, da erst mit dem Nachweis der Zerlegung die Prämie ausbezahlt werden kann. So fehlt die Zeit, die Fahrzeuge sinnvoll zu verwerten und brauchbare Altteile zu gewinnen. Hinzu kommt, dass durch diese Aktion der Preis für Metallmischschrott im Keller ist, teilweise die Schredderbetriebe schon für die Annahme der Karosse Geld verlangen und es so für den normalen Schrottplatzbetreiber ein Zuschussgeschäft wird.
- Mercedes W 201 mit Euro 1. Viele seiner Nachfolger verbrauchen mehr.
Nutzt die Prämie der Umwelt?
Die große Ironie ist: Nicht im geringsten. Es ist nicht fest gelegt, dass das neue Fahrzeug weniger verbrauchen darf, als der ersetzte Wagen. Bei einem Großteil der Fahrzeuge handelt es sich um solche, die mit einem geregelten Katalysator ausgerüstet sind und häufig sogar schon die Euro 3 Schadstoffnorm erfüllen. Ein Blick auf den Schrottplatz bestätigt: Es werden ganz selten Autos der vermeintlich verbrauchsintensiven Oberklasse abgegeben, da diese entweder einen höheren Wert haben, als die Prämie darstellt und es somit auch wirtschaftlich völliger Unfug ist, den Wagen abzugeben oder es handelt sich schon um Fahrzeuge in Liebhaberhand, die auch kaum in Gefahr kommen, der Prämie wegen geopfert zu werden. Was garnicht auf dem Schrott auftaucht, sind Geländewagen, da diese selbst als Unfallschaden im Export mehr Geld erbringen.
- Opel Vectra B Caravan.
Unser Rundgang zeigt: Es sind hauptsächlich Kleinwagen und Fahrzeuge der Kompakt- oder Mittelklasse, die (wortwörtlich) in die Presse gehen. Das sind durchweg Wagen mit verhältnismäßig niedrigem Verbrauch, guten bis sehr guten Schadstoffwerten und häufig in einem ausgezeichneten Erhaltungszustand. Da kommt schon die Frage auf, ob es ökologisch sinnvoll ist, ein noch nicht verbrauchtes Auto in der Hälfte seiner Lebenserwartung zu verschrotten, um es durch ein Neufahrzeug zu ersetzen.
- Die gelbe Plakette zeigt: Hier wurde kürzlich ein Partikelfilter nachgerüstet. Staatlich subventioniert.
Grob über den Daumen entstehen beim Verschrotten eines Fahrzeugs etwa 200 kg nicht verwertbarer Müll, weil Innenausstattung, Türverkleidung, Sitze und Dämmmatten stofflich nicht zu trennen sind. Die Prämie reicht für 600.000 Autos, es wird ein Berg von 120.000 Tonnen Restmüll entstehen, der eigentlich nur thermisch (sprich, durch Verbrennen) entsorgt werden kann.
- Noch ein Audi A4. Der wurde mal gekauft, weil er sparsam war.
Dieses als staatliche „Umweltprämie“ zu bezeichnen, ist schlichtweg Wahnsinn. Schlichtweg Wahnsinn ist auch die fast panische Sorge von Umweltverbänden und deshalb auch der Politik, dass diese gebrauchstüchtigen Autos nach Osteuropa oder gar Afrika exportiert werden könnten!
Nicht überraschend meldet sich Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, in diesem Beitrag der Sendung Monitor zu Wort: "Wir werden erleben, dass Hunderttausende von Fahrzeugen ins Ausland exportiert werden und eben dort die Umwelt massiv belasten, durch den Gebrauch, durch CO² und Schadstoffemissionen. Aber auch dann beim Verschrotten, weil eben dort sehr viel niedrigere Standards gelten als bei uns."
Was er damit sagt: "Schwarzer Mann, geh du zu Fuß, das mit dem Autofahren ist nichts für dich."
- Auch in Nouhadhibou auf dem Rückzug: Die zähen Mercedes W 123
Gelebter Öko-Imperialismus
Afrika ist ein großer Kontinent mit einem Haufen Problemen. Viele davon sind hausgemacht, viele exportieren wir aus der sogenannten „zivilisierten“ Welt dort hin. Die Antwort auf einige dieser Probleme ist eine bessere Bildung und höherer Wohlstand. Dies erfordert Mobilität. Wären Europa und die USA nicht erst mit der Eisenbahn und dann dem Auto erschlossen worden, würden ein Großteil der hiesigen Bevölkerung sich heute noch als Tagelöhner auf Bauernhöfen verdingen.
Diese Mobilität bietet in Afrika das Auto, ob uns das jetzt gefällt oder nicht. Seit Jahrzehnten werden dazu hauptsächlich aus Europa Gebrauchtwagen importiert, die in Afrika meist noch einen sehr langen Einsatz erleben. Verhindern wir den Export unserer Gebrauchtwagen, werden chinesische, indische und gelegentlich iranische Anbieter diese Lücke ausfüllen und ihre preiswerten Neufahrzeuge am Markt platzieren. Dies geschieht im Nutzfahrzeugbereich teilweise heute schon mit Auswirkungen auf unsere Zulieferindustrie, da natürlich dann auch keine Ersatzteile aus Europa mehr benötigt werden.
Es ist deshalb einfach töricht, voll funktionsfähige, sparsame und abgasgereinigte Fahrzeuge nicht nach Afrika zu bringen. So ein Auto mit Euro 3 ersetzt dort einen katlosen Wagen der 70er Jahre als Sammeltaxi.
Und damit ist für die Umwelt mehr getan, als uns die ganze Abwrackprämie an Umweltschutz bringen wird.
- Die einzigen Profiteure der Umweltprämie: Osteuropäische Schrotthändler, die sich jetzt preiswert mit Ersatzteilen eindecken können.
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