Welche Auswirkungen haben 800 alte Autos auf die Messwerte?

Text: Ulrich Dürr

Bild: Vera Biermann und Dierk von der Webseite der Initiative Kulturgut Mobilität

Grafik: Ulrich Dürr auf Basis von Datenmaterial des Amtes für Umweltschutz, Stuttgart

 

"Fahrzeuge ohne Katalysatoren – also insbesondere Oldtimer – sind Hauptverursacher innerstädtischer Luftverschmutzung und müssen deshalb aus den Städten ferngehalten werden." 

 

So oder so ähnlich ist die Kernaussage aller Luftreinhaltepläne und schlägt sich in Fahrverboten für Fahrzeuge ohne Katalysatoren bzw. Rußpartikelfilter nieder.

 

Doch was stützt diese Aussage? Lässt sie sich mit Messwerten untermauern oder ist es nur eine unbewiesene Behauptung, die zwar plausibel klingt, keine Lobbyisten verärgert und der Bevölkerung demonstriert, man nehme die Sache ernst.

 

Nachdem sich die Landesumweltministerin Baden-Württembergs, Frau Tanja Gönner, nicht der Erkenntnis verschließen kann, dass Oldtimer eine nur sehr geringe Jahresfahrleistung aufweisen und deshalb am Schadstoff-Aufkommen keinen messbaren Anteil haben können, macht sie eine neue Rechnung auf.

 

Originalzitat inklusive Rechtschreibfehler:

 „Diese Fahrzeuge stoßen ohne Nachrüstung mit Katalysatortechnik jedoch etwa 35 mal so viel Kohlenmonoxid und etwa 50 mal so viel Stickstoffoxide aus wie Benzinfahrzeuge nach der heute geltenden Euro 4 Abgasnorm. Eine Jahresfahrleistung von 1.000 Km entspricht bezogen auf den Ausstoß von Kohlenmonooxid und Stickstoffoxide einer Fahrleistung von 35.000 bis 50.000 km eines Benzinfahrzeuges nach heutigem Standard.“ (Quelle: www.tanja-goenner.de ).

 

Eine Angabe von Quellen, oder Informationen, wodurch diese Aussage gestützt wird fehlt – was auch nicht erforderlich ist, denn es klingt einleuchtend und ist ‚augenschein-valide‘ – zumal den Gegnern dieser Behauptung der Gegenbeweis unmöglich sein sollte.

 

Deshalb lassen wir Messwerte sprechen:

Am 15. April 2007 fanden bundesweit Protestfahrten gegen drohende Fahrverbote statt. In Stuttgart nahmen ca. 800 Fahrzeuge teil, die Polizei nannte offiziell 560 Teilnehmer.

 

Nach dem Start am Stuttgarter Killesberg (ca. 14.00 Uhr) fuhren die Oldtimer im Konvoi zur Kundgebung auf dem Marktplatz. 50 Fahrzeuge durften sich dort aufstellen, der Rest wurde über die Hauptstätter Straße weitergeleitet und in das Breuninger-Parkhaus eskortiert. Dabei passieren sie die Messstelle Schwabenzentrum der ‚Abteilung Stadtklimatologie des Amtes für Umweltschutz der Landeshauptstadt Stuttgart‘. Da die Hauptstätter Straße breit ist (in unserem Artikel "Ampel des Wahnsinns" könnt Ihr Euch ein Bild von der Situation machen) musste der Tross am Wilhelmsplatz wenden, so dass die Messstelle zweimal passiert wurde, es also zu insgesamt etwa 1000 Vorbeifahrten von schadstoffintensiven Fahrzeugen kam. 

 

Um das zusätzliche Aufkommen durch die Oldtimer interpretieren zu können, riefen wir im Zeitraum von 24 Stunden vor und nach der Veranstaltung alle relevanten Daten der Messstelle Schwabenzentrum per E-Mail ab.

Trotz Nachfrage konnten das  Amt für Umweltschutz keine CO-Werte zur Verfügung stellen.

 

Zitat: ‚Die Schadstoffkomponente Kohlenmonoxid CO wird bei unserer Station derzeit nicht mehr gemessen.‘

 

Entgegen bisheriger Annahmen liegen nun realistische Messwerte eines repräsentativen Großversuchs vor, die unbestreitbar belegen, dass die Benutzung von Oldtimer keine nachteiligen Auswirkungen auf die Luftqualität hat.

 

Insbesondere die Aussage von Frau Gönner, Oldtimer würden einen 50-fachen Ausstoß an Stickoxiden aufweisen, ist widerlegt. 1000 Vorbeifahrten von Oldtimern würden nach dieser Behauptung 50.000 Fahrzeugen innerhalb einer Stunde entsprechen – eine Anzahl, die sich mit Sicherheit in den Messwerten niederschlagen würde.

Fazit:

Besonders auffallend sind die ausgeprägt hohen Werte von Feinstaub, NO, NO2 und SO2 zum Berufsverkehr am folgenden Montag. Die Mehrzahl der dort genutzten Fahrzeuge entspricht den zukünftigen Vorgaben. Moderne Diesel mit und ohne Rußpartikelfilter (nach Euro 3 und 4) sind offensichtlich wesentlich problematischer, als historische Automobile.

 

Es spricht also nichts gegen eine bundeseinheitliche Regelung, die Old- und Youngtimer von Fahrverboten ausnimmt. Ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Haltern dieser Fahrzeuge würde (in seiner Wirkungslosigkeit) einen eklatanten und nicht haltbaren Eingriff in die Grundrechte bedeuten. Mandatsträger, die weiterhin an ihrer vorgefassten, durch nichts belegten Meinung festhalten, werden sich den Vorwurf, opportunistisch zu handeln und die Unwahrheit zu verbreiten, gefallen lassen müssen.

(c) ikonengold.de, 2006-2012 ::: Impressum