Eine Mercedes-Kundin, die auch heute noch, mehr als zwanzig Jahre später, das entschleunigte Reisen mit 60 PS schätzt, ist Berta Liebeler aus Niederzissen im Herzen der Eifel. Als klassischer Jahreswagenkauf vom Werksangehörigen kam der im Juni 1982 gebaute, classicweiße 200 D im Jahre 1983 zum Ehepaar Liebeler. Da Heinrich Liebeler als Direktor der Berlinischen Lebensversicherung zuvor schon mehrere Mercedes als Dienstwagen gefahren hatte, fiel die Wahl selbstverständlich auf eine Sindelfinger Limousine. Erstmals sollte es jedoch kein Neufahrzeug, sondern ein eben eingefahrener Wagen sein, gerade so wie es der Schwiegersohn kurz zuvor mit einem 230E vorgemacht hatte. In einer Lokalzeitung im Großraum Stuttgart wurde eine Suchannonce aufgegeben, da dies, im Zeitalter vor Internet und Globalisierung, einen seriösen Kontakt zu aufrichtigen Verkäufern versprach. Schnell war der Wagen in ansprechender Farbe mit dem gewünschten Schiebedach gefunden, alleine der Umstand, dass der Vorbesitzer Raucher war, störte das Bild. Jedoch gelang es, durch beharrliches, wohldosiertes Lüften die olfaktorischen Hinterlassenschaften des Tabakkonsums aus dem Wagen zu vertreiben, ohne ihm dabei den typischen Mercedes-Neuwagengeruch zu nehmen, mit dem er auch heute noch zu überraschen weiß. Als Heinrich Liebeler im Herbst 1987 verstarb, hielt Berta Liebeler ihrem Mercedes die Treue. Zwar reduzierte sich im Laufe der Jahre der Einsatzradius, statt Urlaubsfahrten in den Süden führen die weiteren Fahrten jetzt zum Kloster Maria Laach, nach Bad Neuenahr oder ins Rheintal. Den Führerschein oder gar den Wagen abzugeben, steht für Frau Liebeler jedoch völlig außerhalb jeder Diskussion. Die aktive Ausübung der Fahrerlaubnis, übrigens vor 39 Jahren in Wiesbaden bei einer Fahrschule erlangt, die nur auf Mercedes schulte, ruht derzeit vorübergehend. Es gilt, erst ein Beinleiden zu kurieren, bis die resolute Dreiundneunzigjährige wieder zweimal die Woche zum Kaufmann in den Nachbarort fahren wird. Für Berta Liebeler, wie für den Wagen, der jetzt 82.000 Kilometer auf der Uhr hat, also ein geruhsamer und dennoch bewegter Lebensabend.
Weiter mit: Der W 124.120 von Simone Weber