Der Erdgas-Duc: Oder wie ich lernte, die Bomboles Metano zu lieben

Text + Bild: Eberhard Weilke

 

Jetzt ist es passiert. Ich habe einen Fiat gekauft. Finanziert (zumindest teilweise). Mit Frontantrieb und Treibstoff in Flaschen. Wie konnte es dazu kommen? Sind dies nicht exakt die „F“, die meiner bisherigen Kraftfahrzeugbeschaffungsphilosophie zuwider laufen? Gebrauchte Qualitätskraftwagen, gerne hochkilometrig, mit Standardantrieb und bar bezahlt? Was hat den Herrn Weilke geritten, so vermeintlich fahrlässig sich ein Auto zu beschaffen?

 

Aber ich kann das alles erklären. Es ist nämlich eine komplexe Geschichte, die komplexe Überlegungen und letztendliche eine einfache Antwort erforderte.

 

Wie es sich vielleicht herumgesprochen hat, habe ich mich vor etwas mehr als einem Jahr mit dem Import von amerikanischer Raumausstattung mit der Firma beadboard.de selbstständig gemacht. Nachdem ich anfänglich mir für die Auslieferung immer Transporter gemietet hatte, war ich jetzt in der Situation, mir einen eigenen Lieferwagen anzuschaffen. Mit einem klar definierten Anforderungs- und Einsatzprofil: Mindestens 370 cm Länge der Ladefläche, mindestens eine Tonne Nutzlast sowie ein sparsamer Antrieb, um große Raumausstattungsteile in ganz Deutschland möglichst wirtschaftlich und komfortabel ausliefern zu können. Und nach Abwägen aller Aspekte und Kalkulation aller Kosten kam ich zu einer Entscheidung, die ich vor nicht allzu kurzer Zeit selbst nicht für möglich gehalten hätte:

 

Ich habe eine Fiat Ducato Natural Power gekauft.

 

Und da das wohl das einzige Auto im Universum ist, über das im gesamten Internet kein Erfahrungsbericht zu finden ist, werde ich hier selbst aufschreiben, wie es sich mit einem Fiat Ducato mit Erdgas-Antrieb leben lässt.

 

Warum Treibstoff in Flaschen?

Nicht nur die aktuellen Preisnotationen an den Tankstellen für Benzin und Diesel haben mich schon eine Weile über alternative Antriebskonzepte nachdenken lassen. So manches, was derzeit von der Politik propagiert wird, ist für mein Einsatzprofil allerdings schlichter Humbug: Ein Transporter lässt sich auf langer Strecke nicht elektrisch betreiben und selbst ein Hybridantrieb macht auf der Autobahn und Landstraße, wenn kaum gebremst wird um Energie zu rekuperieren, wenig Sinn. Auf den Transporter mit Brennstoffzellenantrieb werde ich wohl noch ein paar Jahre warten müssen, zumal das Tankstellennetz für Wasserstoff derzeit sehr, sehr dünn ausgebaut ist. Vielleicht ist Wasserstoff eine Alternative, wenn das jetzige Auto abgeschrieben ist, bis dahin dauert es aber noch eine kleine Weile.

 

Viel Energie mit wenig Kohlenstoff. (c) Wikimedia

Die derzeit gängigsten, alternativen Antriebsformen, die man als Normalverbraucher kaufen kann, die halbwegs bewährt sind und die sich auf eine halbwegs ausgebaute Infrastruktur verlassen können, sind Motoren, die mit LPG (Liquified Petroleum Gas) oder CNG (Compressed Natural Gas) betrieben werden. Und während sich LPG zunehmend als Alternativkraftstoff für leichte Personenwagen etabliert, bietet Erdgas (so der bekanntere Name für CNG) einige Vorteile für den Einsatz in Nutzfahrzeugen: Als kohlenstoffärmster Kraftstoff verbrennt es sehr sauber, emittiert motorseitig keine Partikel und verursacht bis zu 70% weniger Stickoxide (NOx), 80 % weniger reaktive Kohlenwasserstoffe (HC), 50% weniger Kohlemonoxide (CO) und sogar 5% weniger Kohlendioxid (CO2) als ein modernes Dieselfahrzeug. Selbst gegenüber einem modernen Benzinfahrzeug ist eine Verbesserung des Abgases messbar, auch ohne aufwendige Abgasnachbehandlung. Und gegenüber zuvor erwähnten Hybrid- oder Elektrofahrzeugen werden für die Herstellung keine (bzw. nur kaum) exotische Werkstoffe wie Lithium und Seltene Erden benötigt. Ein Erdgasauto ist in seinem Aufbau sehr konventionell gestrickt, sozusagen reinster Ingenieur-Barock.

 

Natürlich gibt es auch ein paar Nachteile, speziell beim Erdgasantrieb: Die Reichweite ist meist begrenzt und gegenüber Autogas steht nur ein dünnes Tankstellennetz zur Verfügung. Das ist allerdings ein Problem, dem man mit heutiger Informationstechnologie ganz gut begegnen kann. Wir navigieren heute ja nicht mehr mit Rändelradkilometerzähler und Zirkeln durch Deutsche Generalkarten, sondern können eine Reihe von sehr ausgefeilten Routenplanern nutzen. Der von mir bevorzugte auf www.gibgas.de bietet die Möglichkeit, Routen mit Zwischenhalten einzugeben und wirft einem dann sehr umfangreiche Informationen zu den verfügbaren Tankstellen am Wegesrand aus. Mit Öffnungszeiten, welche Karten akzeptiert werden und wenn die Schwarmintelligenz des Internets funktioniert, mit halbwegs aktuellen Preisnotationen und Meldungen über eventuell vorliegende Störungen. Mit etwas Orientierungssinn lässt sich damit gut arbeiten. Zumindest der trockene Probebetrieb, als ich die letzten Touren probehalber eingetippt und auf dem Bildschirm abgefahren bin, hat einwandfrei funktioniert.

 

Und so kam ich zum Entschluss: Ich will ein Auto mit Erdgasantrieb, mit „bomboles metano“ unter der Ladefläche.

Front- oder Heckantrieb? Zwei unterschiedliche Konzepte mit unterschiedlichen Vorteilen.

Warum Frontantrieb?

Ein berühmtes Zitat lautet: „Frontantrieb ist entgangene Lebensfreude“. Ich stimme dieser Aussage uneingeschränkt zu und muss jetzt trotzdem zugeben, dass ich mich für einen Transporter mit Frontantrieb entschieden habe. Denn auch hier muss man alle Vor- und Nachteile abwägen: Für den Heckantrieb spricht seine insgesamt robustere Konstruktion, da er bei der transportertypischen Starrachse ohne homokinetische Elemente in den Antriebswellen auskommt. Auch kann man die Vorderräder schön ordentlich mit jeweils zwei Kegelrollenlagern lagern und muss nicht mit einem einzelnen Tonnenlager auskommen, als wäre es ein Golf. Heckgetriebene Autos haben in der Regel auch einen deutlich kleineren Wendekreis und ihre Lenkung ist frei von Antriebseinflüssen.

Heckantrieb hat bei einem Transporter aber auch Nachteile: In der Regel ist die Ladekante höher und es reduziert sich die Nutzlast um ca. 150 – 300 kg. Die Folge ist ein höherer Verbrauch sowie ein kleinerer Laderaum (bzw. eine größere Stirnfläche, wenn für eine vergleichbare Stehhöhe das Dach erhöht wird).

 

Mein Einsatzprofil ist jedoch ein anderes: Ich benötige jedes Kilogramm Nutzlast, ich brauche 370 cm Ladelänge, bin viel auf antriebwellenschonender Langstrecke unterwegs und ein Mehrverbrauch von einem halben Liter (bzw. halbes Kilogramm) bedeutet ca. 500 Euro höhere Kraftstoffkosten im Jahr.

 

Und so kam ich zum Entschluss: Ich will ein Auto mit Frontantrieb, wenig Verbrauch und viel Nutzlast.

 

Heckantrieb für einen sicheren Winterbetrieb.

Warum finanziert?

Ich habe mich vor etwas mehr als einem Jahr mit meiner Firma selbstständig gemacht und ich gebe zu, mir schöne Leasingangebote für schicke Neuwagen ausrechnen zu lassen, so mit allem Pipapo. Denn schließlich war ich ja jetzt Unternehmer, könne das alles von der Steuer absetzen und überhaupt, wer mit eigenem Geld eigene Betriebsmittel kauft, ist nach landläufiger BWLer-Meinung ja ewiggestrig und wüsste nicht, wie der Hase läuft.

 

KofferRAUM: Hier passt mehr rein, als man denkt. Aber insgesamt dann doch nicht genug.

Doch zum Glück blieben meine Frau und ich standhaft, vertrauten weiterhin auf die treuen Dienste unseres roten Kombis (auf Frage des Steuerberaters, ob der Wagen das durchhält, antwortete ich: „Natürlich, der hat doch erst 300 tausend…“) und schauten erst, wie sich der Geschäftsverlauf entwickelt und was wir als Kraftfahrzeug dann letztendlich brauchen würden. Zu schnell hat man einen Leasingvertrag für einen Wagen, der sich in der Praxis als nicht zweckmäßig herausstellt, und wenn man den Wagen tatsächlich nutzt, ist man an die feste Laufleistung des Leasingsvertrags gebunden. Gerne stehen einem dann zu wenige Kilometer zur Verfügung, so dass die Extrakilometer teuer nachberechnet werden, oder man fährt weniger und zahlt für Kilometer, die man garnicht nutzt. Ich wollte deshalb einen Wagen, mit dem ich fahren kann, wann ich lustig bin beziehungsweise wann es der Geschäftsverlauf erfordert. Außerdem mag ich nicht die Diskussionen bei der Rückgabe, was jetzt zur normalen Abnutzung gehört (und damit mit der Leasingrate gedeckt ist) und was als Beschädigung zu werten ist und einem schmerzfrei nachbelastet wird.

 

Abgekämpfter Diesel im Hängerbetrieb für den zweitbesten Eindruck beim Kunden

Es kam wie erwartet: Statt eines schnellen Personenwagens für die Kundenbesuche habe ich öfters einen Lieferwagen benötigten, da bestimmte Artikel in unserem Lieferprogramm beim Versand per Spedition große und kostspielige Probleme verursachten. Wenn man einmal monatlich auf Tour geht, ist dafür ein Miettranporter die wirtschaftlichste Wahl: Man mietet genau die Größe, die man braucht und bezahlt nur für die Zeit, in der man den Wagen auch tatsächlich nutzt. Wenn man gut verhandelt und auf ein ausreichend großes Mietvolumen kommt, zu durchaus sehr attraktiven Konditionen. Doch auch diese Lösung bringt gewisse Nachteile mit sich: Ab Mitte November erhält man bis Jahresende kein Auto, da praktisch die gesamte Flotte von den Paketdiensten für das Weihnachtsgeschäft angemietet wird. Hinzu kommt, dass man auch für die kleinste Beschädigung am Fahrzeug haftet, denn mit diesem Teil des Geschäftsmodells lässt sich aus Mietwagenunternehmenssicht am ertragreichsten wirtschaften. Dies führt zu unschönen Dialogen: „Die Trennwand hat eine Beule.“ „Stimmt, das war ich. Da ist mir ein Klappbock dagegen gefallen.“ „Das kostet 309 Euro.“ „Die zahle ich nicht, die Trennwand ist ja noch da und hat nur ihre Aufgabe erfüllt. Außerdem kann ich nichts dafür, dass der Hersteller nur Papierblech verwendet.“ „Na gut. Sind sie mit 100 Euro einverstanden, plus 30 Euro Bearbeitungsgebühr?“ „Ich habe ja wohl keine Alternative…“

 

 

Winterharter Spanier für den drittbesten Eindruck beim Kunden

Es war also absehbar, dass eine Alternative her musste. Auch die Kostenseite bot Anlass, sich über eine günstigere Lösung für unsere Mobilitätsfragen Gedanken zu machen. Zum einen stand da inzwischen ein deutlich vierstelliger Betrag an Mietkosten, hinzu kam ein ganz beträchtlicher Betrag an Kraftstoffkosten. Es galt also, einen Lieferwagen zu finden, der bei der monatlichen Belastung nicht deutlich teurer kommen würde als eine Zehntagesmiete eines vergleichbaren Fahrzeugs und idealerweise würde er bei den Kraftstoffkosten eine deutliche Reduzierung gegenüber des aktuellen Standes bieten. Und eigentlich kam auch nur ein Neufahrzeug in Frage, da ich genug Sorgenautos im Fuhrpark habe und der Transporter funktionieren muss. Ich habe weder Zeit noch Lust, die Gebrechen eines gut abgehangenen Gebrauchttransporters zu beheben. Da ich ja wusste, wie stark die ehemaligen Miettransporter in ihrer Jugend schikaniert wurden (da fallen ständig Klappböcke in die Trennwand, das muss man sich mal vorstellen), hatte ich auf regelmäßige Verschleißreparaturen keine Lust. Und so ein richtiger Klassiker, der auch etwas Leidenschaft rechtfertigen würde, wäre für meine Zwecke nur bedingt geeignet: Einerseits natürlich sehr robust, aber eigentlich ist ein Mercedes Vario oder sogar ein Rundhauber zu groß, zu durstig und für die halbwegs flotte Autobahnfahrt doch etwas zu träge. Und der Mercedes MB 100, den ich  mir von einem Freund gelegentlich ausleihen konnte, leider einen Hauch zu klein.

 

 

Mein Auto sollte flott, sparsam und zuverlässig sein. Und wenn er tatsächlich liegenbleibt, sollte ein Anruf reichen: „Hallo Frau Hotline. Das Auto steht an der A trallala beim Kilometer Firlefanz. Holt es dort ab und macht es heil. Und ich bin im Hotel an der Ausfahrt, wenn alles wieder gut ist, rufen sie mich bitte an.“

 

Und so kam ich zum Entschluss: Ich will ein Neufahrzeug. Mit Mobilitätsgarantie und ohne Sorgen.

 

Warum Fiat?

„Fehler in allen Teilen“, „Fix it again, Tony“, „Für Italiener ausreichende Technik“. Falls jemand noch einen anderen Spruch kennt, nur her damit! Tatsächlich halte ich aber Fiat für eine der gänzlich unterschätzten Marken, die im Schatten der vermeintlichen „Premiumhersteller“ ganz manierliche Autos bauen, die genau das tun, was man von ihnen erwartet, nicht mehr und nicht weniger. Die einen nicht mit der Aura des Exklusivem und fast Göttlichem einzufangen versuchen, sondern die für einen definierten Zeitraum (so ca. zehn Jahre) und eine definierte Laufleistung (250 – 400 tkm) ein treuer Begleiter sind. Denn was ein süditalienischer Kuriergutfahrer im Stadtverkehr von Neapel nicht sofort klein kriegt, sollte bei meinem Einsatzprofil und etwas Wartung und Pflege doch zumindest für ein paar Jahre halbwegs zuverlässig funktionieren.

 

Von Fiat bestellt und von mir abgeholt.

Ich hätte nie gedacht, dass ich in der Grundschule erlernte, damals exotische Kenntnisse einmal im richtigen Leben so direkt anwenden werde. Ich gehöre zur Generation, die sich mit den Logischen Blöcken und der Mengenlehre nach Zoltan P. Dienes auseinandersetzen durften. Wir erinnern uns: Man nehme die Menge A „Rote Klötze“ und die Menge B „Quadratischen Klötze“ und haben als Schnittmenge dann was? Richtig, rote, quadratische Klötze.

 

Genau diese Grundschulmathematikkenntnisse kamen auch jetzt zur Anwendung: Wir nehmen die Menge A „Transporter mit Erdgasantrieb“ und die Menge B „Fahrzeuge mit 370 cm Laderaumlänge und einer Tonne Nutzlast“ und erhalten als Schnittmenge einen großen, weißen Klotz: Den Fiat Ducato Natural Power als geschlossenen Kastenwagen in der Version L4H2 (ein Blick in die Preisliste sagt: Viertlängste Karosse, mittelhohes Dach).

 

Und damit es etwas komfortabel wird: Ich hätte dann gerne noch eine Klimaanlage.

 

Strahlen wie Ken Rockwell: Mein erstes halbwegs neues Auto ist zugelassen!

Nur, wo findet man so ein Auto? Wie immer, findet man seinen Wunschwagen tatsächlich nicht dann, wenn man ihn sucht, sondern er läuft einem zufällig über den Weg. Beim nächtlichen Rumklicken durch diverse Webseiten zum Thema Erdgas stand er auf einmal da. Ausgestattet, wie wenn ich die Kreuzchen in der Bestellung hätte selber machen dürfen, beim nächsten großen Fiat-Händler in der Stadt. Netterweise vor elf Monaten für einen Tag zugelassen, mit 37 km Laufleistung und Werksgarantie. Nach dem Hinweis, dass das Auto in zwei Wochen nicht mal mehr ein Jahreswagen sei, kam mir der Händler preislich sehr deutlich entgegen und so unterschrieb ich den Kaufvertrag. Am Geburtstag meiner Tochter. Denn das kann nur Glück bringen. Und keine drei Tage später war der Ducato zugelassen, ich hatte das Ding noch nicht einmal Probe gefahren.

 

 

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