Mythos Neckartorkreuzung

Text und Bild: Eberhard Weilke

Wer sich mit dem Thema Feinstaub beschäftigt, stößt recht schnell auf die Stadt Stuttgart, die als eine der ersten Städte ihren Aktionsplan zur Reduzierung der Feinstaubbelastung vorgelegt hat. Dabei wird regelmäßig, wie beispielsweise im stern, auf die Kreuzung am Neckartor verwiesen, die als eine der am stärksten belasteten Straßen in Deutschland gilt. Auch das Stuttgarter Amtsblatt bringt das Neckartor vor, wenn es um die Begründung für die geplanten Fahrverbote geht*.

Wir haben deshalb die Kreuzung besucht, damit sich jeder ein Bild von der Situation machen kann und so eventuell die Ursachen für die hohe Feinstaubbelastung an dieser speziellen Kreuzung erkennt. Wir wollen uns auch überlegen, mit welchen Maßnahmen man tatsächlich den Feinstaub reduzieren könnte und welche für das nächste Jahr geplante Schritte recht sinnfrei sind.

 

Das Neckartor ist die Stelle, an der die B 14 die Innenstadt von Stuttgart erreicht. Die B 14 ist eine der Hauptzugangsstraßen ins Stadtgebiet, fast der gesamte Verkehr aus Osten und Nordosten nimmt diesen Weg. Zum direkten Einzugsbereich gehört der Stadtteil Bad Cannstadt sowie die anderen Neckarvororte, weiter draussen die Städte Fellbach, Winnenden, Waiblingen, Esslingen. Einzugsbereich ist das gesamte Remstal, das Neckartal, viele Stuttgarter nutzen die B 14 und die alsbald kreuzende B 10 als Zugang zur BAB 8 in Richtung München.

 

Keine Frage, an dieser Kreuzung ist mit einem weit überdurchschnittlichen Verkehrsaufkommen zu rechnen.

 

Was ist also die Ursache für die extrem hohe Belastung an diesem Straßenzug? Zum einen natürlich der überdurchschnittlich hohe Verkehr, zum anderen die besondere Straßensituation mit einer sechsspurigen S-Kurve, die an beiden Enden von Ampelanlagen begrenzt ist. Wir haben sie in der Karte als gelbe Balken eingezeichnet. Nahezu jeder Fahrer ist hier gezwungen, zu bremsen, zu beschleunigen und wenn man nicht gerade im Berufsverkehr steht, wird die S-Kurve mit durchschnittlich 50 km/h befahren. Abends, in der Nacht uns sonstigen verkehrsschwachen Zeiten wird diese Kurve auch mit 80 km/h und mehr durchfahren...

 

Wenn man weiß, dass ca. 60 % aller Feinstaubemissionen des Straßenverkehrs durch Abrieb von Bremsen, Kupplung und Reifen entstehen, dann hat man jetzt einen Eindruck, warum an dieser Stelle die Feinstaubwerte so hoch sind. Jedes Auto muss hier bremsen, beschleunigen, bei der Kurvenfahrt reiben sich die Reifen für die Querbeschleunigung auf. Ob die Autos jetzt mit Elektroantrieb, Diesel oder katlosem Benziner angetrieben werden, spielt nur eine geringe Rolle. 

 

Schön hohe Konzentrationen kann man übrigens auch messen, wenn man die Messstation an eine Stelle steht, die zwischen den anliegenden Häusern zurückgesetzt ist. Das gibt dem aufgewirbelten Feinstaub die Chance, sich zu konzentrieren...

 

Wie unorientiert man im Stuttgarter Landtag das Thema diskutiert, kann man in den Stuttgarter_Nachrichten nachlesen. Die FDP-Abgerordnete Heiderose Berroth (die umweltpolitische Sprecherin ihrer Fraktion) schlug vor, man solle einen "Staubsauger ... installieren, der dann die Luft filtert". 

 

In die selbe Richtung geht auch ein Versuch, den man im Oktober 2006 gestartet hat. Eine Kehrmaschine mit einem speziellen Keramikfilter soll den Feinstaub aufnehmen und so die Schadstoffbelastung senken. Dabei handelt es sich wohlweislich um einen Versuch, was aber die Esslinger Zeitung nicht davon abbringen lässt, festzustellen, der "Keramikfilter hält Partikel zurück".

 

Immerhin erfahren wir in dem Artikel, dass die erste Maßnahme des Aktionsplans, das Durchfahrverbot für Lastwagen, bisher noch keine positiven Effekte gebracht hat. Das wird die Gemeinden, in die seit Jahresanfang der Lastwagenverkehr verlagert wurde, freuen.

 

Was kann also vor Ort getan werden, um die Feinstaubbelastung zu reduzieren?

 

Es ist recht simpel: Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf  30 km/h. Das erhöht zum einen die Kapazität dieser hochbelasteten Straße, da ein langsamer, gleichmäßiger Verkehrsstrom mehr Fahrzeuge aufnimmt als die derzeitige Situation. Der entschleunigte Verkehr reduziert auch die Beschleunigungs-, Verzögerungs- und Querbeschleunigungskräfte, so dass der Abrieb von Bremsen, Kupplung und Reifen stark reduziert wird. Natürlich reduzieren sich so auch die Emissionen aus dem Abgas, neben dem Feinstaub sei hier der Vollständigkeit halber auf Stickoxide und Kohlendioxid verwiesen.

 

Was muss regional getan werden, damit der Straßenverkehr in Stuttgart entlastet wird?

 

Einiges.

 

Wann wird in Stuttgart der Nahverkehr weiter ausgebaut, besser vernetzt und besser vertaktet? Hier ruht man sich auf den Errungenschaften der 80er und 90er Jahre aus, in den letzten Jahren ist eine gewisse Stagnation festzustellen. Warum klappt sowas in Karlsruhe und Heilbronn?

 

Warum hat der Stuttgarter Verkehrsverbund mit die höchsten Preise für Einzelfahrscheine und Monatskarte, so dass die Autofahrt in den meisten Fällen die wirtschaftlichere Alternative ist? Warum schafft man den bewährten "Pass Orange" ab, um eine teurere "9 Uhr-Umweltkarte" einzuführen?

 

Wann werden endlich die Radwege in Stuttgart zu einem sinnvollen und nutzbaren Netz ausgebaut?

 

Warum fördert man nicht bei Flottenbetreibern wie Zustelldiensten, Taxifirmen, Bussen die Anschaffung von Erdgasfahrzeugen?

 

Es gibt mehr als ausreichend zu tun in Stuttgart. Man könnte diese Projeke sogar in den von der EU geforderten "Aktionsplan" zur Reduzierung des Feinstaubs schreiben. Stattdessen wählt man Maßnahmen, die zu einer maximalen Gängelung der Bürger führt und letztendlich für die Umwelt nur ganz geringe Auswirkungen hat. Und um das ganze zu steigern, baut die Stadt Stuttgart mit der Ampel des Wahnsinns ein wirksames Mittel, die Feinstaub- und sonstigen Schadstoffemissionen wirksam zu steigern.

 

*Was da auf dem Bild im Amtsblatt gefährlich aus dem Auspuff des Opels wabert, ist übrigens kein Feinstaub, sondern Wasserdampf. Den produziert jedes Auto mit Verbrennungsmotor bei bestimmten klimatischen Verhältnissen, völlig unabhängig von seiner Schadstoffklasse. So wird mit Bildern Politik gemacht.

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