So wird Politik gemacht

Text: Eberhard Weilke

Ein Gutes hat die ganze Diskussion um die Fahrverbote ja: Man sucht seine alten Gemeinschaftskundehefte hervor und liest noch einmal nach, wie das denn jetzt genau funktioniert mit unserem Staat. Was entscheidet der Bundestag, wer sitzt im Bundesrat, welche Rolle spielt die EU und wie entsteht überhaupt eine Verordnung oder ein Gesetz?*

 

Zugegeben, ganz einfach zu überblicken ist das alles nicht und es nimmt daher nicht Wunder, dass sowohl Presse als auch Oldtimer-Interessenvertreter bei dem Thema ein wenig ins Schwimmen geraten. So wechseln sich auch die Überschriften "Kein Fahrverbot für Oldtimer" vs. "Keine Ausnahme für Oldtimer" regelmäßig ab, je nachdem, welcher Interessenvertreter gerade versucht, sich einen vermeintlichen Erfolg auf die Fahne zu schreiben.

 

Hier folgt ein Versuch, die legislative Entwicklung darzustellen und zu zeigen, wer wann was zu entscheiden hat und an welcher Stelle welche Interessen einfließen können:

 

1.) die EU-Richtlinie

Die EU-Richtlinie 99/30/EG wurde im Jahre 1999 von der EU beschlossen und verpflichtete die Mitgliedsstaaten, ab dem 1. Januar 2005 gewisse Grenzwerte bei der Feinstaubbelastung einzuhalten. Die zuständigen Behörden müssen bei Überschreitungen Aktionspläne verfassen, die Gegenmaßnahmen festlegen.

 

2.) auf kommunaler Ebene

In Deutschland liegt die Verantwortung jetzt bei den Kommunen. Sie sind verpflichtet, geeignete Aktionspläne und Luftreinhaltepläne aufzustellen, die das Feinstaubaufkommen wirkungsvoll verringern sollen. Da man sich in deutschen Rathäusern einige Zeit ließ (bzw. annahm, dass die Grenzwerte schon nicht überschritten werden würden), stand man im Frühjahr 2005 mit leeren Händen da, als besorgte Bürger begannen, das Erstellen der Aktionspläne einzuklagen. Da jetzt alles sehr schnell gehen musste, machte man sich nicht viele Gedanken über die Wirksamkeit der geplanten Maßnahmen sondern suchte diejenigen aus, die halt auf dem Papier toll aussehen. In einem früheren Artikel hatten wir diese Auswüchse ja schon zum Thema gemacht.

 

Einen Schwerpunkt legte man auf umfangreiche Fahrverbote für Kraftfahrzeuge. Da jetzt aber nicht jede Stadt alleine loslegen und Deutschland wieder in den Zustand der Kleinstaaterei vor dem Deutschen Zollverein versetzen werden sollte, brauchte man eine bundeseinheitliche Regelung.

 

3.) das Kabinett beschließt

Am 10. Oktober 2006 beschlossen und am 1. März 2007 in Kraft getreten, hatte die Verordnung zum Erlass und zur Änderung von Vorschriften über die Kennzeichnung emissionsarmer Kraftfahrzeuge (35. BimSchV) nicht nur einen ziemlich sperrigen Titel, sondern auch ein oder zwei grobe Ungereimtheiten. Hauptkritikpunkt war, dass man die Fahrzeuge mit so genannten US-Kats übersehen hatte, da diese nicht unter den passenden Schlüsselnummern zu finden waren, da es bei deren Erstzulassung noch keine Euro-Norm gab. Deshalb wurde die Erste Verordnung zur Änderung der Fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung) nachgereicht, die diesen Missstand beseitigen sollte. Da beide Verordnungen von den Ländern ausgeführt werden, muss der Bundesrat als höchstes Verfassungsorgan der Länder diesen zustimmen.

 

4.) die FDP will punkten

Jetzt haben wir ja auch noch eine Opposition im Bundestag, die mit gut platzierten Anträgen ihr Profil schärfen will. Ihr Antrag, historische Fahrzeuge von den Fahrverboten auszunehmen, war ein Antrag dieser Natur und es überrascht nicht, dass er am 21. September 2007 vom Bundestag als letzter Tagesordnungspunkt dieses Tages kurz und schmerzlos abgelehnt wurde. Dass trotzdem die Schlagzeile "Keine Ausnahme für historische Fahrzeuge" auch bei durchaus seriösen Publikationen erschien, lässt Rückschlüsse auf die Sorgfalt der Recherche zu.

 

5.) der Bundesrat ergänzt

Es war gelebter Föderalismus, als der Bundesrat am 21. September auf Antrag des Bundeslandes Hessen der 1. Verordnung unter der Bedingung zustimmte, dass "Oldtimer (gemäß § 2 Nr. 22 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung)" mit entsprechendem Kennzeichen, also H-Nummer und mindestens 30 Jahre alte Fahrzeuge mit 07er Nummer, in den Ausnahmenkatalog mit aufzunehmen seien.

 

Die so geänderte Verordnung geht jetzt zurück an die Bundesregierung und wird wahrscheinlich in Kraft gesetzt.

 

Wer hat jetzt gewonnen, wer verloren?

Gewonnen hat zum einen natürlich die Initiative Kulturgut Mobilität, der Deuvet sowie der VDA, da deren vorrangiges Ziel, eine Ausnahme von den Fahrverboten für historische Fahrzeuge zu erlangen, erreicht wurde. Gewonnen hat auch der Bundesumweltminister Gabriel**, da es ihm gelang, ein gesetzliches Instrumentarium zu installieren, das den Betrieb vieler älterer Fahrzeuge so erschweren wird, dass diese durch neue Fahrzeuge ersetzt werden. Gewonnen haben auch das deutsche KFZ-Handwerk sowie die Hersteller von Nachrüst-Partikelfiltern, da sie alleine in diesem Jahr mehrere zehntausend Fahrzeuge mit zum Teil fragwürdiger Technik nachgerüstet haben.

 

Verloren haben all die Autofahrer, deren Fahrzeug durch ungünstige Schadstoffeinstufung aus dem Raster fällt oder für die es, aufgrund zu geringer Stückzahl, nicht einmal die Möglichkeit der Nachrüstung gibt. Sie müssen ihr inzwischen stark im Wert gesunkenes Fahrzeug ersetzen.

 

Verloren hat auch die Umwelt, da jetzt ein Regelwerk verabschiedet wurde, das keine nennenswerte Verringerung des Feinstaubaufkommens bringen wird, jedoch durch seine durchsichtige Unwirksamkeit das Verständnis in der Bevölkerung, sich für den Umweltschutz einzusetzen, verringert.

 

Aber vielleicht ging es ja auch gar nicht um Umweltschutz...

 

*Falls man seine Gemeinschaftskundehefte nicht findet, kann man alles bei der Maus nachlesen.

 

**um einen Eindruck zu bekommen, unter welchem Einflüssen Sigmar Gabriel seine Entscheidungen trifft, sei diese Lektüre beim NDR empfohlen.

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